Nach einem torlosen Unentschieden bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund stand fest, dass der 1.FC Saarbrücken die Hinrunde mit 32 Punkten auf Platz 3 abschließen würde. Zweifelsohne eine mehr als ordentliche Ausgangposition, um im neuen Jahr das Ziel Aufstieg zu verfolgen.
Das Team von Rüdiger Ziehl darf nun nach kräftezerrenden Wochen ein wenig durchschnaufen, bevor es Anfang Januar in Richtung Spanien für das Wintertrainingslager geht.
Der Fußball in Deutschland steht still, perfekter Zeitpunkt also, um das bereits Erlebte ein wenig zu resümieren und sich die Frage zu stellen, ist diese Mannschaft zum aktuellen Zeitpunkt wirklich aufstiegsreif?

Torhüter:
Schon im April sicherte man sich die Dienste von Torhüter Phillip Menzel aus der ersten österreichischen Liga. Diesen Transfer kann man nach einem halben Jahr zweifelsohne als waschechten Volltreffer bezeichnen. Menzel lieferte zahlreiche überragende Paraden wie etwa gegen Aachen, oder in der zweiten Halbzeit bei Energie Cottbus und ist somit hauptverantwortlich für die herausragende Bilanz von gerade einmal 18 Gegentoren nach 19 absolvierten Spielen und kann somit als absolutes Upgrade zu Tim Schreiber im Vorjahr gesehen werden.
Dahinter hat man mit Tim Paterok einen extrem guten Backup Keeper, den man falls Menzel mal ausfallen sollte ohne Bauchschmerzen reinwerfen kann.
David Mutter komplettiert das Trio und wird sicherlich vom Training unter Michael Weihrich aka dem „Hämmer“ profitieren. Sein Leistungsstand ist allerdings schlecht einzuschätzen, da er bislang noch kein Pflichtspiel für die erste Mannschaft bestritt.

Abwehr:
In der Defensive hatte man die Abgänge der Leistungsträger Marcel Gaus und Lukas Boeder zu beklagen. Der FCS verfügt über eine enorm hohe Anzahl von sieben Innenverteidigern, da der Kader wohl für ein System mit 3er Kette geplant wurde, diese allerdings anfangs aus Verletzungsgründen, später dann aus Instabilität durch eine 4er Kette ersetzt wurde. Rüdiger Ziehl setzte in großen Teilen der Hinrunde auf ein 433, da man die beste Defensive der Liga stellt, gibt es wohl wenig Bedarf an Änderung.
Auf der linken Abwehrseite startete man die Saison mit Neuzugang Till Schumacher, der wie Menzel aus Klagenfurt ins Saarland wechselte. In Österreich noch als Dauerbrenner gefeiert, verlor er seinen Stammplatz im Verlauf der Hinrunde an Calogero Rizzuto, der von rechts auf links wanderte und sich dort wie schon in der Saison 2022/23 enorm gut präsentiert. Schumacher ist definitiv ein extem laufstarker kämpferischer Spieler, jedoch kann er Gaus insbesondere fußballerisch, bisher nicht ersetzen. Nach Rizzutos Wechsel auf die linke Seite, spielte sich auf Rechts Neuzugang Philip Fahrner fest. Der ehemalige Freiburger überzeugt durch typisch freiburger Tugenden, wie eine gewisse Bissigkeit und ein hohes spielerisches Niveau und verdiente sich somit seinen Stammplatz.

Die Innenverteidigung bestand zu Beginn der Saison aus Neuzugang Sven Sonnenberg und Kapitän Manuel Zeitz. Der „Fußballgott“ verletzte sich allerdings nach dem 1:1 Unentschieden gegen Unterhaching im Training und kehrte erst Mitte Dezember gegen Aachen zurück in den Kader. Sonnenberg hingegen kam aus der Eredivisie und wurde im Vorhinein als echter Transfercoup bewertet. Den hohen Erwartungen konnte er allerdings bisher nicht gerecht werden. Zwar startete er bis zu seiner Muskelverletzung gegen Köln jedes Spiel, traf gegen Unterhaching und rettete mehrmals auf der Linie, jedoch fiel er durch spielerische und athletische Schwächen bis dahin eher negativ auf. Ganz anders sieht es bei Joel Bichsel aus. Erst Ende August aus Bern verpflichtet, spielte der junge Schweizer sich bereits bei seinem ersten längeren Einsatz gegen Unterhaching in die Herzen der Fans. Sein linker Fuß, seine aggressive Spielweise und seine Körperlichkeit machten ihn in dieser ersten Saisonhälfte zu einer festen Größe im Team und neben Phillip Menzel und Patrick Sontheimer zum besten Saarbrücker der Hinserie. Er ist aus der Blau-Schwarzen 4er-Kette also kaum mehr wegzudenken. Lasse Wilhelm, Neuzugang aus Mainz, nutze wie Bichsel die Verletzungssorgen in der Abwehr und startete 3 Spiele neben ihm. Nach schwerem Start bei der insgesamt katastrophalen Abwehrleistung gegen Ingolstadt halfen ihm insbesondere sein Tor beim Comeback in Stuttgart und der souveräne Auftritt beim 2:0 Heimsieg gegen Hansa Rostock sich zu beweisen. Allerdings folgte auf eben jenen guten Auftritt ein mehr als unglückliches Spiel vom ehemaligen Mainzer in Osnabrück, indem er dem Team durch einen Platzverweis innerhalb weniger Minuten einen Bärendienst erwies und sich somit vorerst praktisch selbst zurück auf die Bank beorderte. Seinen Platz nahm der in der Vergangenheit oft von Verletzungen geplagte Dominik Becker ein. Dieser spielt mittlerweile seit fast 3 Jahren für Blau-Schwarz und ist gerade dabei, sich neben Joel Bichsel endgültig durchzusetzen. Nach Wilhelms Platzverweis in Osnabrück, kam er zur Pause und verpasste seitdem keine Sekunde auf dem Feld. Boné Uaferro und Bjarne Thoelke verpassten verletzungsbedingt praktisch die gesamte Hinserie, es dürfte sich aufgrund der zuletzt souveränen Leistungen der angestammten Viererkette aber ohnehin als schwierig darstellen, auf eine hohe Anzahl an Spielminuten zu kommen. Nichtdestotrotz lässt sich behaupten, dass der 1.FC Saarbrücken in der Abwehr eine sehr gute Hinserie spielte und es zahlreich Ersatz gibt, sollte mal jemand ausfallen. Auch eine Rückkehr zur in den letzten Jahren bevorzugten 3er Kette wäre jederzeit möglich.

Mittelfeld:
Im Mittelfeld verließ mit Luca Kerber ein Eigengewächs und der vermutlich beste Saarbrücker der vergangenen Ligasaison das Team. Als Neuzugänge holte man den talentierten Elijah Krahn aus Hamburg, den bundesligaerfahrenen Sebastian Vasiliadis aus Rostock und den als „bestes italienisches Mittelfeld-Talent“ angepriesenen Jacobo Sardo. Im von Rüdiger Ziehl angewandten 433 sind 2 der 3 Plätze im Moment durchgehend besetzt. Patrick Sontheimer machte einen enormen Schritt nach vorne und überzeugt auf allen Ebenen als Sechser. War es zu Beginn eher die Aggressivität und Laufstärke, die ihn ausmachte, entwickelte er sich innerhalb dieser Saison immer mehr zu einer Art tiefer Spielmacher des Teams, wie es die Spiele gegen Dresden oder auch Verl bewiesen, in denen er großartig assistierte. Ebenfalls als gesetzt anzusehen ist Richard Neudecker. Der Bayer hatte nach einer überragenden ersten Saison, im letzten Jahr mit einem Formtief zu Beginn zu kämpfen, und viel daraufhin praktisch das ganze Jahr verletzungsbedingt aus. In dieser Saison fand er gegen Ende immer mehr zu alter Stärke. Ebenfalls ist er mit 4 Toren hinter Kai Brünker zweitbester Torschütze des offensivschwachen Teams. Auf Richard Neudecker wird es stand jetzt enorm ankommen in der Rückrunde, braucht man doch ihn vermutlich in Topform um das große Ziel erreichen zu können.

Sebastian Vasiliadis wäre wahrscheinlich unumstrittener Stammspieler neben Neudecker und Sontheimer, würde er nicht mit anhalten Knieproblemen kämpfen. Trotz dieser Einschränkung sah man seine Klasse immer wieder aufblitzen, sein Trainer ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass ein fitter Sebastian Vasiliadis bei ihm immer spielen würde. Für den FCS bleibt zu hoffen, dass der Deutsch-Grieche in der Rückrunde viele Spiele absolvieren kann, da er für diese Liga ohne Zweifel ein überragender Spieler sein kann.
Elijah Krahn zeigte ebenfalls schon herausragende Ansätze, lässt allerdings ein bisschen die Konstanz in seinen Leistungen und eine Gefahr in Richtung gegnerisches Tor vermissen. Bei Tim Civeja ist es eine Art ewiges Hin und Her. Kommt er von der Bank bringt er oft Energie und spielerische Klasse, wie etwa gegen Nürnberg oder Rostock. Darf er dann zurecht starten, enttäuscht er oftmals wie zuletzt gegen Aachen und Dortmund. Als größtes Sorgenkind im Mittelfeld darf aber Jacobo Sardo betitelt werden. Es scheint offensichtlich so, als hätte man bei seiner Verpflichtung überhaupt keine Ahnung gehabt, ob man ihn wirklich braucht. Von Woche zu Woche bringt das wiederholte nicht berücksichtigen seitens Ziehl Unruhe, da ihn die Fans in den sozialen Medien lautstark fordern. Während Sardo in die U20 Italiens berufen wurde, kann er beim 1.FC Saarlandpokal bisher nur auf Einsätze gegen unterklassige Gegner im Pokal zurückblicken. Der Streit um diese Vorgehensweise des Trainers wurde seitens des Vizepräsidenten nach Außen getragen und spaltet Fans und Verein.

Angriff:
Gerade einmal 3 Niederlagen, mit 18 Gegentoren die beste Defensive der Liga und Platz 3 zur Winterpause lesen sich erstmal extrem positiv. Nach dem harmlosen 0:0 bei den Amateuren aus Dortmund brüstete sich der Verein in den sozialen Medien mit einer beeindruckenden Bilanz von 11 ungeschlagenen Spielen in Serie, das man davon allerdings nur 4 mal gewann, konnte man nirgendwo lesen. Die Schwäche des Teams ist offensichtlich, mit gerade einmal 24 Toren unterperformt das Team von Rüdiger Ziehl ihren eigenen xG Wert um 5 Tore.
Natürlich blieb dies bei den vielen Saarbrücker-Fans nicht unbemerkt und es wird seit Wochen eine Verstärkung im Sturmbereich gefordert. Kai Brünker ist ein Spieler, der fernab seiner starken Torquote im blau-schwarzen Trikot, immer alles auf dem Platz lässt. Sein Sturmpartner Patrick Schmidt ist ein absoluter Fanliebling und sollte er ein ordentliches Fitnesslevel erreichen, wie Brünker ein Topstürmer in dieser Liga . Ein weiterer Mittelstürmer neben dem zuletzt eher formschwachen Kai Brünker und dem nach seiner tragischen Verletzung noch lange nicht vollständig fitten Patrick Schmidt wäre somit sicherlich hilfreich, aber nicht so notwendig wie ein Ersatz für den am Kreuzband verletzten Amine Naifi. Dieser lieferte am Tag seiner Verletzung, dem 3:1 Sieg gegen Wiesbaden sein mit Abstand bestes Saisonspiel ab und riss sich dann tragischerweise das Kreuzband. Mit seinem Tempo und seinen 1 gegen 1 Qualitäten wäre er ohne Frage ein essenzieller Bestandteil der Saarbrücker Offensive. Trotz seinen Ausfalls fehlt es auf den offensiven Außen nicht an Personal, dafür aber an Qualität.

Simon Stehle überzeugt durch ein hohes Tempo und starke 6 Assists, vor dem Tor versagen ihm allerdings konstant die Nerven. So hat er trotz zahlreicher Großchancen noch nicht ein einziges Tor in dieser Saison erzielt. Julian Günther-Schmidt nutzte die Chance nach seiner guten Einwechslung gegen Wehen und kam für Amine Naifi in die Mannschaft. Es folgten zwei überzeugende Auftritte gegen Dresden und Essen, aber auch hier fehlte die Kaltschnäuzigkeit. Die vergangenen 3 Spiele zeigten allerdings wieder auf, dass „Günni“ nicht mehr als eine Übergangslösung auf dieser Position sein sollte. Maurice Multhaup startete denkbar schlecht in die neue Aufgabe, da er mit einer Verletzung die gesamte Vorbereitung ausfiel. Nach seiner Genesung lieferte er jedoch ein schwaches Spiel nach dem anderen ab und muss bisher als Missverständnis betrachtet werden. Ähnlich verhält es sich in dieser Saison bei Kasim Rabihic. War der Dribbler in den letzten beiden Jahren noch Leistungsträger, so fällt er in diesem Jahr insbesondere durch bestenfalls unglückliche Auftritte auf und erzielte sein einziges Tor per Kopf nach einer Ecke. Ein Rabihic in Normalverfassung hätte das Zeug zum absoluten Schlüsselspieler und man sollte ihn ähnlich wie Multhaup noch nicht völlig abschreiben. Chafik Gourichy zeigte gute Ansätze, kann aber aufgrund mangelnder Einsatzzeiten schwer bewertet werden.
Fazit:
Die Eingangsfrage nach der Aufstiegsreife des 1.FC Saarbrücken ist gegenwärtig, eher negativ zu beantworten. Der Kader ist personell gut besetzt, performt jedoch wie in den vergangenen Jahren unter Niveau. Zwar lesen sich Platz 3 und und 32 Punkte erst einmal gut, aber die Tatsache, dass seit Jahren Aufsteiger durchmaschieren, zeigt auch, dass die Liga vielleicht gar nicht so stark ist, wie sie gerne gemacht wird. Mit etwas Effektivität wäre es also nicht undenkbar, dass der 1.FC Saarbrücken ähnlich wie Dresden und Cottbus vorneweg maschieren würde. Jedoch spricht die Tendenz mit 4 Unentschieden aus den letzten 5 eine andere Sprache. Die defensive Stabilität muss aufrecht erhalten bleiben und die Offensive benötigt eine Art „Renaissance“. In den letzten Wochen profitierte man von Ergebniskrisen in Sandhausen oder Bielefeld. Mit dem FC Ingolstadt kam in den letzten Spielen eine Mannschaft mit enormer Offensivpower immer näher ran.
Es bleibt spannend im Aufstiegsrennen, ein guter Start wäre entscheidend. Mit 1860 München kommt zum Rückrundenauftakt das auswärtsstärkste Team ins Saarland, daraufhin folgen zwei harte Auswärtsspiele in Sandhausen und Ingolstadt.
Trotz des großen Kaders scheint es notwendig in der Offensive nachzulegen, sollte man sich nicht darauf verlassen wollen, dass das vorhandene Personal mehr Tore schießt.