Der Besuch Gregor Gysis zur Eröffnung des neuen VHS-Semesters steht in einer Reihe mit dem Erscheinen anderer, prominenter Gäste wie Pater Anselm oder Günther Maria Halmer, der im vergangenen Jahr seine Autobiographie im Dudweiler Bürgerhaus vorstellte. Nein, es sollte keine Wahlkampfveranstaltung werden, auch wenn Gysi natürlich immer wieder gerne einen kleinen Seitenhieb in Richtung des ein oder anderen verteilte. „Ein Leben ist zu wenig“ heißt das Werk, um welches sich das Gespräch mit Hans-Dieter Schütt drehte. Letzterer wäre sicherlich ebenfalls eine Veranstaltung dieses Rahmens würdig gewesen, ist er doch als „brillanter Autor, Feingeist und Scharfmacher“ aus DDR Zeiten ein Begriff. An diesem Abend beschränkte er sich auf das Geben von Stichworten für den großen kleinen Mann der Linken.
Biografisches stand zu Beginn tatsächlich im Mittelpunkt. Gysi erzählte aus seinem Elternhaus. Sein Vater Klaus war Kulturminister der DDR, die Familie pflegte Verbindungen in alle Welt. Gregor Gysis Großmutter lebte in Paris, man erhielt regelmäßig Besuch aus den USA, Italien, Belgien. Sogar ein Kindermädchen beschäftigte die Familie. Außer diesen Vorzügen sah Gysi keine Privilegien für sich und seine Familie in der DDR.
Auch die Berufswahl und Tätigkeit als Anwalt versetzte den Berliner nach eigener Darstellung eher an den Rand der Gesellschaft. „Damals gab es in der DDR lediglich 600 Anwälte. Wenn man heute den Ku´damm entlang geht wird man alleine dort so viele finden.“ Anwälte, so Gysi, waren nirgendwo gesellschaftlich oder politisch vertreten: “ Es gab sie in keinem Ortsrat, in keinem Kreistag und auch nicht in der Volkskammer!“ Deshalb sei seine Zunft nach der Wende auch in den Vordergrund getreten und habe viel öffentliche Ämter und Positionen übernommen: Sie galten als politisch unvorbelastet.
Interessant wurde es als Hans-Dieter Schütt die gegenwärtige Schwäche der Linken ansprach, die sich gerade auch wieder in der Bayernwahl gezeigt habe. Gysi gestand dies zu und nannte drei Gründe, warum – aus Sicht der Wähler – linke Parteien, also auch die Grünen und die SPD, gegenwärtig Probleme hätten: Die Linken hätten nie eine glaubwürdige Alternative zum Kapitalismus geschaffen. Ein anderer – aus Gysis Sicht verständlicher – Vorwurf laute: „Ihr seid demokratisch, so lange ihr nicht die Macht innehabt.“ Er verwies auf Venezuela und Guatemala, wo sich links-demokratische Oppositionen nach dem Machterhalt in Despotensysteme verwandelten. Und: Die Linke selbst, in diesem Fall SPD und Grüne, habe die prekären Lebensverhältnisse geschaffen, in dem sie einen Billiglohnsektor und Hartz IV eingeführt hätten.
Solche und viele andere Einsichten und Erzählungen Gysis sorgten für einen sehr kurzweiligen Abend, von dem nicht nur das Publikum profitierte: Seine Bücher, die er auch gerne signierte, fanden reissenden Absatz. Ein wenig Kapitalismus scheint also durchaus vorteilhaft zu sein.