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5 vor 12 – Interview mit Dr. Harald Cronauer über den Protest gegen die Strukturreform im Bistum Trier

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Am 20. Oktober um 5 vor 12 soll eine Demonstration vor dem Trierer Dom gegen die Zusammenführung der 882 Pfarreien auf 35 Großgemeinden erfolgen. Dagegen wehren sich viele engagierte Christen. Wir sprachen mit Dr. Harald Cronauer, dem Pfarreienratsvorsitzenden von Quierschied, warum er sich weitere Unterstützung im Kampf gegen die Strukturreform erhofft.

saarnews:  Die katholische Kirche, so heißt es landläufig, verliere immer mehr an Zuspruch. Vor allem die Jüngeren hätten wenig Interesse an der Kirche. Sehen Sie das ähnlich, Herr Dr. Cronauer? Und: Baut Bischof Ackermann sein Bistum nicht deshalb in der Verwaltung so radikal um, weil es auch immer weniger Pfarrer gibt?

Dr. H. Cronauer: Leider ist es zutreffend, dass gegenwärtig die Kirche auch bei den Jüngeren an Zuspruch verliert. Aber es gibt auch Gegenbeispiele z.B. im franz. Taizé oder im Augsburger Gebetshaus. Das liegt meines Erachtens vor allem an dem von vielen schon als systemisch empfundenen Verhalten innerhalb der Amtskirche, die entgegen den wunderbaren Vorstellungen unseres Papstes Franziskus weiterhin an falscher Autorität festhält, mehr dem Gesetz als der Bedürfnisse der Menschen folgt und – wie im Missbrauchsskandal leider schmerzhaft erfahren – eine Methode des Vertuschens, Verschleierns und zum Teil auch der Unaufrichtigkeit an den Tag legt. Solches Verhalten schreckt nicht nur junge Menschen ab. Ein ähnliches Verhalten erleben wir z.T. gegenwärtig bei der sogenannten Strukturreform, die mit aller Gewalt und ohne Rücksicht auf die Menschen vor Ort mit einem „Big Bang“ zum 01.01.2020 durchgepaukt werden soll. Lange Zeit werden Fragen, wie denn am Ende 35 Großpfarreien im Detail aussehen sollen, nicht beantwortet oder mit vertröstenden und verschleiernden salbungsvollen Worten abgetan. Ganz schlimm ist es, wie sich das Bistum zu der von unserer Initiative Kirchengemeinde vor Ort initiierten Protestaktion am Samstag, dem 20.10.2018 um 5 vor 12 Uhr auf dem Domfreiplatz in Trier verhält. Der Generalvikar hat in einem Brief von angeblichen „Fehlinformationen“ unsererseits gesprochen, ohne eine einzige Fehlinformation zu benennen. Es gibt auch keine. Wir haben alle unsere Informationen überprüft und diese sind alle völlig korrekt. Außerdem verkündet er erstmals in dem Anschreiben, dass ein sogenanntes „Verwaltungsteam“ geplant sei. Was Inhalt, Aufgabe und Kompetenz dieses Verwaltungsteams sein soll, bleibt weiterhin im Ungewissen. Fest steht, dass es nichts zu entscheiden hat. Entscheiden wird in Zukunft, wenn es zu 35 Großpfarreien kommt, wovon die Großpfarrei Saarbrücken rund 100.000 Christen umfassen würde, dann allein der Rat auf der Ebene der Großpfarrei. Ob die zuvor nach Saarbrücken übereigneten Kirchen oder die nach Saarbrücken übereigneten Pfarrheime renoviert oder geschlossen werden sollen, entscheidet dann die Großpfarrei und nicht irgendeine Person vor Ort. Außerdem vermittelt er mit dem Begriff „vor Ort“ den Eindruck, als ob es sich um die alte Pfarrei handeln könnte. Das ist wiederum nicht zutreffend. Denn unter „Kirchort“ versteht der Generalvikar neue sogenannte Kirchorte wie Altenheime, Kindergärten, Gefängnisse oder ähnliches. Also auch mit dieser Mogelpackung wird versucht, Gläubige zu verwirren und sie von der Protestaktion am 20.10.2018 abzuhalten. Es wird höchste Zeit, dass wir diesem Verhalten Einhalt gebieten. Deswegen rufen wir alle verantwortlichen Christen dazu auf, ihrem Protest gegen dieses Verhalten und die vorgesehene Strukturreform auf dem Domfreiplatz vor dem Bischofssitz in Trier am 20.10.2018 5 vor 12 Luft zu machen!

Der vom Bischof vorgesehene Umbau des Bistums mit Zentralstrukturen hat mit dem Priestermangel allenfalls am Rande zu tun. Natürlich sollen Priester von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, was insbesondere auch für unsere beiden Priester vor Ort gilt. Die Planung des Bischofs für das Jahr 2020 sieht 400 aktive Priester, davon ca. 300 für den Pfarrdienst und ca. 250 pensionierte Priester vor. Was in 2030 oder 2040 sein wird, können wir alle heute überhaupt noch nicht absehen. Wir haben durch die laufende Reform, die noch gar nicht abgeschlossen ist, auch in Quierschied Pfarreiengemeinschaften gebildet. Es gibt 172 solcher Pfarreiengemeinschaften im Bistum. Gegenwärtig wird von Kardinal Marx und vielen anderen der Zölibat in Frage gestellt und weitere Bischöfe haben sich in Deutschland dafür ausgesprochen, das auch verdiente, gestandene Persönlichkeiten („Viri probati“), die Familie haben können, zu Priestern geweiht werden. Insofern haben wir den Bischof auch darauf hingewiesen, dass eine solche Radikalreform als epochaler Eingriff in Kirchengemeinden, die alle aufgelöst werden und ihr Eigentum an Kirchen, Pfarrheimen und an ihrem Vermögen verlieren, jedenfalls zum 01.01.2020 durch einen an-geblichen oder vermeintlichen Priestermangel nicht gerechtfertigt ist. Ebenso wenig ist er durch angeblich finanzielle Risiken gerechtfertigt. Das Bistum hat die höchsten jemals erzielten Kirchensteuern in 2017 vereinnahmt. Und schließlich wird es auch keine Einsparungen durch eine Zentralisierung geben, wie viele aktuelle Studien belegen.

saarnews: Sie haben dem Bischof auch Gegenvorschläge unterbreitet. Wie sollte eine Strukturreform Ihrer Ansicht nach aussehen?

Dr. H. Cronauer: Natürlich haben wir dem Bistum in vier mehrstündigen Gesprächen und in mehreren umfangreichen Schreiben und Dokumenten Alternativvorschläge zur Diskussion unterbreitet. Jedoch war der Generalvikar bisher nicht bereit, auf diese Gegenvorschläge einzugehen. Die ganzen Gespräche waren bisher völlig umsonst und es gab keinen ernst zu nehmenden wirklichen christlichen Dialog. Unsere Gegenvorschläge basieren auf dem erfolgreichen Modell der Zivilgemeinden, z.B. in Rheinland-Pfalz, wo man Verbandsgemeinden gebildet hat, unter deren Dach die jeweiligen Gemeinden weiterhin ihre Eigenständigkeit mit ihrem Bürgermeister behalten haben. Alle Professoren, und das sind mittlerweile über 20, mit denen wir bundesweit gesprochen haben, sowie viele Landräte und Praktiker aus den Kommunen haben uns bestätigt, dass allein diese Ver-bandsgemeindestruktur die Mitwirkungsrechte und Motivation der Bürger vor Ort sicherstellt. Dieser Einsicht folgen im Übrigen viele Bistümer in Deutschland, sogar das Erzbistum München mit unserem früheren Bischof, Kardinal Marx oder auch Paderborn und Osnabrück. Schließlich hat gerade das Bistum Mainz sein Vorgehen mitgeteilt. Das Bistum Mainz will bis 2030! von unten nach oben diskutieren, welche Großpfarreien in welcher Form im Jahr 2030 entstehen sollen. Dabei ist schon darauf hingewiesen, dass lebendige Gemeinden auch unter dem Dach einer Großpfarrei selbstständig bleiben können. Es gibt kein vergleichbares Vorgehen wie das des Bistums Trier. Nach unserer Vorstellung könnte die Großpfarrei als Verbandspfarrei die Priester von Verwaltungs-, Organisations- und Personalaufgaben entlasten und z.B. auch den Zentraleinkauf vornehmen, die gesamte Finanzbuchhaltung übernehmen und auch die Optimierung der Räume mit zusätzlichen neuen Kirchorten und neuen Ansätzen, vor allem auch für jüngere Menschen, betreiben. Aber keinesfalls können wir zulassen, dass es vor Ort keinerlei entscheidungsbefugte Gremien mehr gibt, dass nicht mehr die Menschen vor Ort entscheiden, ob ihre Kirche oder ihr Pfarrheim renoviert, ergänzt oder geschlossen werden soll, sondern alles nur noch zentral von einer Großpfarrei. Wir wollen, dass die Menschen vor Ort in lebendigen Gemeinden gemeinsam mit einer Verbandsgemeinde ihre Zukunft selbst gestalten können und auf das aufbauen, was unsere Vorfahren zum Teil unter großen Schmerzen als Vorleistungen erbracht haben. Es geht dabei nicht darum, sich vor neuen Entwicklungen zu verschließen, ganz im Gegenteil, wir haben in Quierschied einige Neuerungen schon durchgeführt.

Die katholische Kirche hat mit ihrer Mystik, ihren Sakramenten, ihren Gottesdiensten alles im Programm, was für Menschen jeder Altersstufe wichtig ist. Es gilt die Menschen für die Körper, Seele und Geist ansprechenden Gottesdienste und Veranstaltungen wieder zu begeistern. Denn der gelebte Glaube und die Beziehung aller Christen untereinander im gemeinsamen Gebet und in gemeinsamer Beziehung zu Gott ist für jeden Menschen, der sich dafür öffnet, ein unvergleichliches und unersetzliches Lebenselixier.

saarnews: Wie kann man sich ihrer Initiative anschließen? Organisieren Sie eine gemeinsame Fahrt nach Trier am 20. Oktober?

Dr. H. Cronauer: Man kann sich unserer Initiative ganz einfach anschließen. Es genügt eine E-Mail oder ein Telefonanruf an Herrn Marcus Jung (Telefon: 01520-929 66 60, E-Mail: hificlassics@gmx.de). Außerdem kann man sich auf Facebook der von uns gebildeten Facebookgruppe „Protest gegen die Strukturreform – 5vor12“ anschließen oder sich auf unserer Internetseite www.kirchengemeinde-vor-ort.de informieren und mitmachen.

Es geht dieses Mal ums Ganze. Denn wenn die Reform umgesetzt wird, verlieren Gemeinden ihre Kirchen, ihre Pfarrheime, ihre Pfarrhäuser und auch das gesamte sonstige Vermögen. Es wird keine Gremien mehr vor Ort geben, die irgendetwas entscheiden können. Die uns bekannten Pfarreienräte, Pfarrgemeinderäte und Verwaltungsräte werden alle wegfallen. Es wird künftig die Entscheidungsebene Großpfarrei geben. Alle anderen vorgesehenen Einrichtungen wie das o.g. „Verwaltungsteam“ werden keine großen Entscheidungsbefugnisse haben und natürlich auch nicht mehr über die Liturgie, Diakonie und das Vermögen der heutigen Pfarreien bestimmen können. Deswegen rufe ich jeden verantwortlichen Christen auf, mit uns nach Trier zu fahren. Wie wir im Hambacher Forst gesehen haben, können Protestaktionen einiges bewirken, wenn viele daran teilnehmen. Ich setze darauf, dass so viele Christen wie möglich mitmachen.

saarnews: Vielen Dank für das Gespräch.

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