Ein Beitrag von Lothar Ranta
Seit über 20 Jahren gibt es im Saarland die Straßenzeitung Guddzje. Wie kann man einem Nichtsaarländer erklären was ein Guddzje ist? Ganz einfach, es ist ein Bonbon. Viele saarländische Wörter haben ihren Ursprung im Französischen. Bon heißt auf Deutsch gut und auf saarländisch gudd; also Guddzje.
Guddzje macht auf Probleme von Menschen in außergewöhnlichen Lebenssituationen aufmerksam. Unerwartete harte Schicksalsschläge können oft nicht verkraftet werden. Die Statistik zeigt, dass Obdachlosigkeit viele verschiedene Gründe hat und Betroffene aus allen Gesellschaftsschichten kommen.
Guddzje möchte den Menschen helfen, die nicht aus eigenem Antrieb in ein normales Leben zurück finden. In den über 30 Seiten der Straßenzeitung stehen viele hilfreiche Adressen. Tagesaufenthalte, Notschlafstellen, Stationäre Einrichtungen, alle acht saarländischen Tafeln, Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und andere Anlaufstellen.
Der Verkauf des Guddzje ist für die Verkäufer der erste Schritt wieder Mitglied des öffentlichen Lebens zu sein, Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Viele der Verkäufer haben schon Stammkunden. Durch den Verkauf des Guddzje verdienen sie auch eigenes Geld. Alles nur kleine Schritte aber sie können hilfreich für ein besseres Leben sein.
Wenn man das erste Mal diese Straßenzeitung kauft und liest, ist man schon über die Vielfalt der Themen überrascht. Nachdenklich machen besonders die persönlichen Berichte der Wohnungs- und Obdachlosen, die einen authentischen Einblick in das Leben der Betroffenen liefern.
Es gibt einen Unterschied zwischen obdachlos und wohnungslos. Obdachlose haben keinen festen Wohnsitz. Sie schlafen im Freien. Allerdings brauchen sie eine Postanschrift. Für Arbeitslose ist es das Arbeitsamt. Wohnungslose Menschen fallen in der Öffentlichkeit nicht auf. Sie wohnen ohne Mietvertrag bei Bekannten oder in Notunterkünften.
Beispielhaft die Geschichte des wohnungslosen Chris: 2015 kam er als Gast in die Wärmestube Saarbrücken. Nachdem sein Vater starb, den Chris über drei Jahre pflegte, fiel er in ein tiefes Loch. Der Abstieg begann. Er konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben und ihm wurde die Wohnung gekündigt. Er fing an zu trinken. Sein Gesundheitszustand wurde immer schlechter. Mithilfe eines Streetworkers fand er eine kleine Wohnung und war mit seinem kleinen Hund Lisa, ein Pekinese, nicht mehr allein. Das gab Chris neuen Lebensmut. Er war für Lisa verantwortlich und es ging bergauf mit ihm. Er wurde ehrenamtlicher Mitarbeiter und Gästesprecher in der Saarbrücker Wärmestube. Mit seinen Straßen- und Absturzerfahrungen aber auch mit seinem erfolgreichen heutigen Leben, ist er seit drei Jahren ein gefragtes Mitglied der Saarländischen Armutskonferenz (SAK).
Lothar Ranta