Dillingen/Saar. Nach über hundert Jahren ist es der Stadt Dillingen gelungen, ein einzigartiges Stück ihrer Geschichte wieder in den städtischen Besitz zurückzuführen. Es handelt sich dabei um die Fragmente einer ägyptischen Skulptur aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert. Aber wie gelangte die Ägypterin überhaupt einst an die Saar? Um diese Frage zu beantworten, ist eine kurze Reise in die Vergangenheit notwendig. Der Dillinger Stadtteil Pachten blickt auf eine über 2000jährige Geschichte zurück. Bevor die Römer dort siedelten, hatten sich Kelten im Tal der Saar niedergelassen. Im Bereich des ländlich geprägten Pachtens befand sich ursprünglich eine florierende Handelssiedlung, der römische Vicus Contiomagus. Nachdem die Germanen diesen zerstört hatten, errichteten die Römer an zentraler Stelle auf den Ruinen ein Kastell. Es diente zur Sicherung des Knotenpunktes bedeutender Handelsrouten zwischen der Stadt Trier und dem europäischen Süden. Im Laufe der Zeit verschwanden Vicus und Kastell weitestgehend aus dem Stadtbild und somit aus dem Gedächtnis der Bewohner. Seit dem 19. Jahrhundert erforschte man nach und nach vor allem das römische Erbe Pachtens. Grabungskampagnen in den 60er Jahren führten eine Vielzahl römischer Artefakte zu Tage, die zum Teil im Museum Pachten, das in den 90er Jahren gegründet wurde, ausgestellt wurden. Unter neuer Leitung durch den städtischen Mitarbeiter, Kunsthistoriker und Klassischen Archäologen Dr. Jürgen von Ahn wird es seit einigen Monaten unter dem Namen „Römermuseum Pachten“ weitergeführt. In diesem Rahmen kommt es auch zu einer Neukonzeption und Umgestaltung der Ausstellung, in welcher dann auch die geheimnisvolle Ägypterin zukünftig in einem würdigen Rahmen der Öffentlichkeit präsentiert wird. Geheimnisvoll ist die Dame aber nicht nur wegen ihres markanten Äußeren sondern gerade wegen ihrer bewegten Geschichte. Diese hatte auf einer weiten Reise aus dem Land der Pharaonen nach Nordeuropa eine ungewöhnliche Wendung genommen. Nun gab es immer wieder Funde ägyptischer Kleinplastiken auf ehemals römischem Siedlungsgebiet in Europa, diese stammten aber häufig aus dem Bereich der Massenproduktion. Das Pachtener Stück jedoch ist in seiner Qualität einzigartig. Die Figur aus dem harten, fast schwarz erscheinenden Basalt stammt laut Ägyptologen aus der Zeit um 600 vor Christus. Sie lässt sich in den Bereich der Hochkunst einordnen, da sie vermutlich ursprünglich das Antlitz einer Prinzessin oder Adeligen zeigte. Die Ägypterin wurde um 1920 von Privatleuten gefunden und einer Saarbrücker Sammlerin geschenkt, daher gilt ihre Pachtener Herkunft als gesichert. Da jedoch nichts über den Fundzusammenhang (z.B. Grab) bekannt ist, kann über ihre zwischenzeitlichen Besitzer nur spekuliert werden. Die Forschung kennt bis heute zwei Theorien, wie die Prinzessin an die Saar gelangte: Die plausibelste besagt, dass ein römischer Soldat, der damals im ägyptischen Teil des römischen Reiches seinen Dienst verrichtet hat, sie vom Nil an die Saar gebracht hat. Vielleicht hat er sie als Göttin verehrt oder sie diente ihm als Talisman, bis er sie vor Ort verlor oder sie ihm als Grabbeigabe mit ins Jenseits gegeben wurde. Neueren Datums ist die These, dass sie vielleicht aus einem keltischen Grabzusammenhang stammen könnte. Die Kelten, so weiß man heute, dienten den Ägyptern schon vor dem Aufstieg Roms als Söldner. Möglicherweise wurde die Figur von einem solchen Söldner mit in die Heimat gebracht. Dann wäre sie schon vor den Römern an der Saar gewesen. Bis jetzt lässt sich dieses Rätsel nicht abschließend lösen, weitere Forschungen sind von Nöten. Mysteriös bleibt in diesem Zusammenhang auch die offensichtlich bewusste Zerstörung des einst filigran geformten Gesichtes. Nachdem sie mindestens 1800 Jahre in saarländischem Boden gelegen hat, aber nur 800 Jahre auf beziehungsweise in ägyptischer Erde war, kann sie mittlerweile als echte Saarländerin bezeichnet werden. 100 Jahre lang war sie unauffindbar in Privatbesitz verschollen und konnte nun dank eines freundlichen Hinweises durch die ehemalige städtische Mitarbeiterin Gertrud Schmidt aus dem Kunsthandel erworben werden. „Nun kehrt die Ägypterin endlich wieder in ihre Heimat zurück und wir freuen uns, dass wir dem Stadtteil Pachten damit einen Teil seiner Geschichte zurückgeben können“, erklärt der Dillinger Bürgermeister Franz-Josef Berg. (dpd)