Die Bürgermeister von Wadern und Sulzbach, Jochen Kuttler und Michael Adam, diskutierten das Thema Stadtentwicklung aus ihrer jeweiligen Perspektive
Die Stiftung Baukultur Saar hatte am vorletzten Maitag zu einer besonderen Veranstaltung eingeladen. Moderiert von Dr. Ilka Desgranges (SZ) und Patrick Wiermer (SR) sprachen die Bürgermeister der Städte Wadern und Sulzbach, Jochen Kuttler und Michael Adam, über die Hemmnisse und Probleme, die sich ihnen bei der Fortentwicklung und Modernisierung ihrer Kommunen entgegenstellen. Auf den ersten Blick mutet die Zusammenstellung seltsam an, bei genauerem Hinsehen jedoch leuchtet der Sinn, gerade diese beiden Stadtoberen zu diesem Thema einzuladen, vollkommen ein. In Wadern und Sulzbach leben jeweils 16.000 Einwohner, jedoch sind ihre Städte völlig verschieden strukturiert. Während der am Rande des Schwarzwälder Hochwald liegende Marktflecken Wadern mit 111 km2 von der Fläche her die drittgrößte Stadt im Saarland ist, verfügt Sulzbach mit 16 km2 nur über ein Achtel dieser Ausdehnung. Das bedeutet gleichzeitig, dass in der Bergwerksstadt 1000 Einwohner pro Quadratkilometer leben, in Wadern nur 141. Sulzbach verfügt mit der Sulzbachtalstraße über ein urbanes Zentrum, während der Ort Wadern mit 2.300 Einwohnern sogar kleiner als der größte Ortsteil Nunkirchen ist.
Die Verschiedenheit zeigt sich nicht nur in der Struktur, sondern auch in der geografischen Lage. Wadern ist gut 50 Kilometer entfernt von der alles bestimmenden Hauptstadt des Saarlandes, während Sulzbacher Bürger diese in wenigen Minuten erreichen können. Aber hier wird es nun interessant. Jochen Kuttler räumte mit der Annahme auf, dass gerade in seiner Region die Landflucht stattfinde. Über die letzten Jahre betrage der Einwohnerschwund „Null“, in Teilen steige die Zahl sogar an. Nicht wegen der Flüchtlinge aus Syrien und der Ukraine, sondern weil sich viele Menschen zwischen 30 und 45 Jahren dazu entschlössen, raus aufs Land, in die Natur zu ziehen. Um diese zu halten, baut die Stadtverwaltung vor allem die digitale Infrastruktur aus. Ziel ist, dass jedes Haus einen Glasfaseranschluss erhält, was aufgrund der Größe der Fläche und der entsprechenden Distanzen eine große Herausforderung darstelle, vor allem finanziell.
Und obwohl die beiden Kommunen völlig anders aufgebaut und situiert sind, stellte sich während der ausgezeichnet moderierten Diskussion schnell heraus, dass aus Sicht der Bürgermeister als Stadtentwickler ein entscheidender Faktor fehlt: Während einer Stadtverwaltung in Bayern 1600 Euro pro Einwohner und Jahr zur Verfügung stehen, sind es im Saarland gerade einmal 260. Das führe zu unterschiedlichen Lebensverhältnissen, was gemäß der deutschen Verfassung nicht geduldet werden dürfe, führte Jochen Kuttler aus und verwies auf den „Aufbau Ost“. Es müsse einfach mehr Geld ins System, sonst drohe „der Abstieg“.
Große Probleme entstünden durch das Fördersystem der unterschiedlichsten Ebenen. Hier müsse dringend etwas geschehen. Michael Adam forderte deshalb einen Fördermittelcoach, der die Kommunen nicht nur auf die entsprechenden Programme aufmerksam mache, sondern auch dabei helfe, den Weg durch die Bürokratie, die sich darum ranke, abzuarbeiten. Mittlerweile liege es gar nicht mehr daran, so Kuttler, der extra eine Person für das Förderprogrammmanagement eingestellt hat, Programme für die einzelnen Maßnahmen zu finden, sondern die Bürokratiebewältigung personalmäßig abzudecken.
Und trotzdem gäbe es immer Fälle, die nicht passten. Kuttler nannte das Beispiel des Oettinger Schlösschens im Zentrum von Wadern, ein kleines Museum in einem Gebäude aus dem 18 Jahrhundert. Dort habe es einen Schaden am Dach gegeben. Finanziell sei der Schaden abgedeckt, doch nun machten die Brandschutzbestimmungen Probleme. Es sei eine nicht auflösbare Situation. Deshalb forderte Alexander Schwehm, Präsident der Saarländischen Architektenkammer, die Einführung einer Umbauordnung.
Michael Adam machte auf ein anderes Problem aufmerksam: Man erhalte, etwa zur Sanierung des bestandgeschützten Schwesternwohnheims in der Sulzbacher Bahnhofstraße Fördermittel, also eine punktuelle Förderung für ein Objekt. Um städteplanerische Wirkung entfalten zu können, habe ihm ein bekannter Architekt empfohlen, die Fassaden im Zentrum zu erhalten, die Häuser dahinter aber kern zu sanieren, damit dort neue, moderne Laden-, Wohn- und Geschäftsräume entstehen könnten. Mit der punktuellen Einzelförderung sei eine solche Planung nicht möglich: „Ein großer Schlag wäre nötig!“.
Doch elementare Änderungen sind vorerst nicht zu erwarten. Neben all den Nachteilen, besitze das Saarland auch Vorteile. Man kenne sich und die Zusammenarbeit mit den Ministerien funktioniere wunderbar. Außerdem: Auch in Bardenbach könne man bei Amazon bestellen. Hopfen und Malz sind also noch nicht verloren. Die beiden Bürgermeister hoffen auf eine Zeitenwende, die mehr Geld und eine Entbürokratisierung mit sich bringt. Das würde beide einen großen Schritt voranbringen.
Die Aufzeichnung des Saarländischen Rundfunks wird am Fr, 10.06.22 in der Sendung DIKURS ausgestrahlt – immer freitags, 19:15 – 20:00 Uhr; SR 2 KulturRadio.
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