Der Illinger Bürgermeister Armin König ist ziemlich fassungslos über »das Desaster der Corona-Nachverfolgung« im Saarland und im Bund. »In welcher Republik leben wir«, fragt der überzeugte Impf- und Booster- und Schutz-Befürworter, »dass der Staat die Grundrechte schon wieder massiv einschränkt, aber selbst offenbar keinerlei Kontrolle mehr über Infektionszahlen, Impfquoten, Reproduktionsdynamik, Omikron-Varianten und Quarantäne-Einhaltungen hat. Ich bin für wirkungsvolle Kontaktbeschränkungen und temporäre Impfpflicht. Aber der Staat muss auch seine Hausaufgaben machen«. Im Saarland haben mindestens zwei Gesundheitsämter schon die Waffen gestreckt bei der Nachverfolgung, die noch 2019 und 2020 zu den Kernanliegen der Corona-Bekämpfung gehörte. Die Gesundheitsämter Neunkirchen und St. Wendel seien immerhin noch ziemlich nah dran am Geschehen, Neunkirchen aber schon länger nicht mehr tagesaktuell.
»Absonderung« – also unmittelbarer Quarantäneschutz für Mitbürgerinnen und Mitbürger – ist nur noch eingeschränkt möglich. Die Zahlen, die wir bekommen, sind unzuverlässig, das Risiko der Quarantäne-Einhaltung wird auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt. Die Menschen spielen auch nicht mehr mit. Das hängt auch mit Politikversagen zusammen«. Unter diesen Umständen werde Corona-Politik in Teilen zu Willkür. König spricht vom »Versagen des öffentlichen Gesundheitswesens, das nach wie vor völlig unzureichend ausgestattet ist, obwohl Corona nicht weggeht. Nicht heute und nicht morgen und nicht übermorgen«. Für dieses »anonyme Wesen tragen Politiker im Saarland (und im Bund) politische Verantwortung, es scheint ihnen aber nicht wesentlich zu sein.« Dann dürfe man sich über die Konsequenzen nicht wundern, auch nicht darüber, dass der allgemeine Frust wachse. Gutes Regieren und gutes Verwalten hänge eben immer mit Personal, Ressourcen, Prioritäten und Wertschätzung zusammen – und mit Handwerk.
Zur Situation in den Gemeinden erklärt der langjährige Bürgermeister: »Wir erleben im Ordnungsamt eine Wiederholung dessen, was wir 2019 und 2020 erlebt haben, nur viel drastischer: Gab es damals noch den Versuch der Einhegung und Eingrenzung, gab es noch den Ansatz, die Virus-Ausbreitung strategisch durch das öffentliche Gesundheitswesen einzugrenzen, ist dieses System nun in Teilen zusammengebrochen. Was wir an Daten bekommen, ist für die Galerie – oft nicht tagesaktuell, saisonabhängig, ja nach Feiertags- und Ferienlage. Das hängt nicht an den Ämtern, sondern am System und seinen Brüchen.« Hinzu komme die mangelnde Zuverlässigkeit diverser Schnelltests. PCR-Tests seien dagegen auch für Willige gar nicht so einfach zu bekommen.
Zur Lage im Saarland und darüber hinaus: Die pandemische Lage im Bund ist beendet worden, Wahlkampf und Saar-Plus-Modell haben hier im Land eine Corona-Freiheit suggeriert, die es nie gab, derweil fliegen uns die nun all die falschen Versprechungen aus dem Wahlkampf um die Ohren. Die distanzlosen Jubelbilder von Parteitagen und offenen Stadien haben die Menschen in falscher Sicherheit gewiegt.
Die Bankrott-Erklärung des öffentlichen Gesundheitswesens hat Karl Lauterbach gestern abend in den »Tagesthemen« mit Personalmangel begründet. Das ist unfassbar, denn der Staat verschuldet sich in Milliardenhöhe, um Folgelasten zu bewältigen statt das Gesundheitssystem zu verändern. Dabei war seit Monaten wieder absehbar, was kommt. Der Staat hätte Amtshilfe organisieren müssen, so wie dies nach der Flüchtlingskrise der Fall war. Im Saarland ist die Bereitschaft zur Amtshilfe ja sehr hoch.«
Stattdessen sei man wieder auf Sicht gefahren und wie 2019 und 2020 kollidiert mit der Realität. »Bundeswehrsoldaten sind im Gegensatz zu früher nur noch drei bis vier Wochen bei der Nachverfolgung im Einsatz, was von der Generalität ohnehin kritisch gesehen wird, während es in manchen Behörden der Republik mehr Home als Office mangels digitaler Grundlagen gab und gibt. Ich will das nicht generalisieren, aber ich bin sicher, es gab und gibt ungehobene Potenziale«.
Aber wir werden auch die nächste Herausforderung meistern. Leider geht das immer zu Lasten der Willigen. Gleichzeitig haben die Unwilligen, die Impfgegner, die Systembekämpfer eine Narrenfreiheit, die ihnen nicht zusteht und mit denen sie die gefährden, die sich an alle Regeln halten, auch und gerade die Vulnerablen, die Kinder, die Kranken, die behinderten Menschen.
Quelle: Armin König