Die Wellen schlugen hoch, als die Landeselternvertretung Gymnasien (LEV Gym) vor einigen Wochen von einem „verlorenen Schuljahr“ sprach. Spätestens mit den aktuellen Schulschließungen im Regionalverband und den drohenden Maßnahmen in den anderen Kreisen dürfte diese Diskussion beendet sein. Obwohl sehr viele Lehrerinnen und Lehrer wie auch Schülerinnen und Schüler bis zuletzt mit viel Herzblut gearbeitet haben, können die bisher entstandenen Lernlücken kaum geschlossen werden.
Leider hat die Politik noch keine sinnvollen Pläne vorgelegt, wie die durch die Pandemie und die dagegen eingeleiteten Maßnahmen verursachten Defizite bei unseren Kindern und Jugendlichen aufgearbeitet werden sollen. Die versprochenen Milliarden Euro der Bundesregierung für Nachhilfe- und Lernprogramme liegen derzeit noch auf Eis.
„Nach vorsichtigen Schätzungen von Fachlehrerinnen und -lehrern sind mindestens zwischen 25 und 40 Prozent des eigentlich vorgesehenen Unterrichts ausgefallen. Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Der Gesundheitsschutz hat sich bei der Bildung einen Kredit geholt, den er irgendwann zurückzahlen muss“, sagt Katja Oltmanns, Vorsitzende der Landeselternvertretung, „es geht dabei um Inhalte, aber auch um die psycho-soziale Entwicklung.“
Wie die „Zeche“ gezahlt werden kann, ist dabei durchaus naheliegend. „Wir werden im Sommer aufgrund der vorliegenden Leistungsnachweise und individuellen Beurteilungen durch die Pädagoginnen und Pädagogen die Schülerinnen und Schüler ins nächste Schuljahr versetzen. Gleichzeitig geben wir mit einem zusätzlichen Jahr am Gymnasium bis zur Klasse 9, ähnlich wie bei vielen Universitäten, wo die Regelstudienzeit coronabedingt um zwei Semester verlängert wurde, die geborgte Schulzeit zurück,“ zeigt Patric Cordier, der stellvertretende Vorsitzende, auf, „Schülerinnen und Schüler der aktuellen Klassenstufe 10 werden in die Hauptphase eintreten und ihre Schullaufbahn ohne den Nutzen von zusätzlicher Lernzeit zu Ende bringen.“ Auch die derzeit in der Oberstufe befindlichen Schülerinnen und Schüler sollen ihr Abitur 2022 wie geplant ablegen können.
Die zusätzliche Lernzeit ermöglicht, die Kinder und Jugendlichen dort abzuholen, wo sie nach den pandemie-bedingten Ausfällen stehen und sie dorthin zu führen, wo sie eigentlich sein sollten – emotional, aber eben auch bildungstechnisch. „Die Anforderungen des realen Lebens sind nicht weniger geworden“, sagt Oltmanns, „darum ist es doch keine Lösung, Lehrpläne weiter auszuhöhlen. Wir hören mit Entsetzen von Überlegungen, beispielsweise im Fach Erdkunde Teilbereiche des Themenkreises Globalisierung und Migration zu streichen. Vor dem Hintergrund einer globalen Pandemie erscheinen solche Ideen mehr als abstrus. Gerade, wenn man gymnasiale Bildung als vertieften (!!!) Kenntnis- und Erkenntnisgewinn ansieht.“
Das Bonus-Schuljahr für das Gymnasium ist kein Nachteil für andere Schulformen. „Auch wenn sich die Zusammensetzung der Schülerschaft an den Gymnasien in der Vergangenheit gewandelt hat, sehen wir an anderen Schulformen eine deutlich größere Diversität und Heterogenität“, sagt Oltmanns, „daher glauben wir, dass die integrativen und unterstützenden Ansätze von Nachhilfe-Programmen und Schulsozialarbeit beispielsweise an Gemeinschaftsschulen deutlich besser umgesetzt werden können und damit mehr Nutzen haben.“
Der saarländische Philologenverband hat mit seinem ‚Gymnasium Plus‘ bereits ein sehr interessantes Konzept ausgearbeitet. „Auch wenn wir noch nicht alle Inhalte kennen und an manchen Stellen noch Gesprächsbedarf sehen, bildet dieses Konzept eine solide Grundlage für einen Umstieg auf ein neunjähriges Gymnasium“, sagt Cordier, „nun muss die Politik nur noch den Willen aufbringen, nach der Lufthansa auch die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen zu retten. Diese Generation kam – auch was ihre motorische Entwicklung durch das monatelange Schließen von Sportvereinen angeht – in dieser Pandemie deutlich zu kurz.“
Vorstand LEV Gymnasien