Burckhardt: „Bau-Stress sorgt für immer mehr psychische Belastungen“
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) befürchtet auch in diesem Jahr eine dramatische Bilanz der Arbeitsunfälle auf dem Bau: Die Gewerkschaft verweist dabei auf vorläufige Zahlen der Berufsgenossenschaft (BG BAU), nach denen allein bis zum August bundesweit schon 56 Bauarbeiter tödlich verunglückt sind. Häufigste Ursache waren dabei Abstürze aus großer Höhe und tödliche Verletzungen durch herabfallende Teile.
Carsten Burckhardt, Mitglied im IG BAU-Bundesvorstand und zuständig für den Bau und den Arbeitsschutz: „Die Situation auf den Baustellen in puncto Sicherheit und Gesundheit ist alarmierend. Rein statistisch ist bis August alle vier Tage ein Bauarbeiter ums Leben gekommen. Und die Tatsache, dass die Unfallbilanz bereits in den ersten acht Monaten eine so hohe Zahl von tödlich verletzten Bauarbeitern vermeldet, verheißt nichts Gutes. Es ist zu befürchten, dass das traurige Niveau des Vorjahres erreicht wird: 2021 sind insgesamt 85 Bauarbeiter während der Arbeit auf dem Bau gestorben, bis August waren es 60.“
Auch die Zahl von insgesamt 65.701 meldepflichtigen Arbeitsunfällen von Januar bis August sei, so Carsten Burckhard, besorgniserregend. Seit Jahren bewege sich die Unfallbilanz auf dem Bau auf einem erschreckend hohen Niveau.
Angesichts dieser Entwicklung fordert Burckhardt von den Bundesländern einen schnellen Ausbau der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen. Hier gebe es ein eklatantes Überwachungsdefizit und einen enormen personellen Nachholbedarf. Burckhardt kritisiert: „Die Arbeitsschutzbehörden in den Ländern haben nicht die nötigen Kapazitäten, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten wirksam zu kontrollieren.“ Notwendig seien hier mehr Personal und damit eine stärkere Überwachung, ob der Arbeitsschutz auf den Baustellen tatsächlich eingehalten wird.
„Wir brauchen einen höheren Kontrolldruck für die Betriebe, die es mit der Arbeitssicherheit nicht wirklich ernst nehmen. Nur auf Eigenverantwortung zu setzen, ist zu wenig. Immerhin ist das Spektrum der Unfallquellen breit: vom fehlenden Schutzgeländer im Treppenhaus des Rohbaus über die angebrochene Leitersprosse und das blanke Kabel der Kabeltrommel bis zur fehlenden Spundwand im Schacht“, so Carsten Burckhardt. Auch wenn hoher Arbeitsdruck zu Hektik und Konzentrationsschwäche führe, dann sei damit ein hohes Unfallrisiko beim Fahren und Bedienen schwerer Baugeräte verbunden.
Nach Einschätzung der IG BAU passieren die meisten Unfälle in kleineren Betrieben. Kosten- und Zeitdruck seien die Hauptursachen für mangelnden Arbeitsschutz auf Baustellen. „Der Arbeitsdruck auf dem Bau hat enorm zugenommen. Es wird zu viel Arbeit auf zu wenige Schultern verteilt. Immer häufiger drücken Bau-Stress und Strapazen aufs Gemüt. Eine wachsende psychische Belastung ist die Folge – mit allen körperlichen Krankheitssymptomen, die sich dabei nach und nach einstellen“, sagt Burckhardt vom Bundesvorstand der IG BAU. Es sei fatal, wenn Bauunternehmen immer mehr Aufträge annehmen würden, aber nicht genug Fachkräfte hätten, um diese zu erledigen. Das bedeute „Überstunden und Druck in Dauerschleife“.
Quelle: Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)