Berlin/Saarbrücken. – Der von CDU, CSU und SPD vorgelegte Koalitionsvertrag stößt bei der Arbeitskammer des Saarlandes auf ein gemischtes Echo. Während zentrale Vorhaben zur Stärkung der Beschäftigten begrüßt werden, bleiben viele Maßnahmen nach Ansicht der Kammer hinter den Erwartungen zurück – insbesondere in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
Mindestlohn und Tarifbindung: Schritt in die richtige Richtung, aber nicht verbindlich
Die geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro bis zum Jahr 2026 bewertet die Arbeitskammer als positives Signal. Auch das angekündigte Bundestariftreuegesetz – das die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen koppelt – geht aus Sicht der Kammer in die richtige Richtung. Allerdings bleibt die Orientierung am Bruttomedianlohn (60 Prozent) unverbindlich, da sie nicht gesetzlich festgeschrieben werden soll.
Bürgergeld: Rückkehr zu alten Mechanismen
Scharfe Kritik äußert die Arbeitskammer am geplanten Kurswechsel beim Bürgergeld. Die Abschaffung der Karenzzeit, die Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs sowie verschärfte Sanktionsregelungen bedeuten nach Ansicht der Kammer einen Rückschritt. Besonders betroffen seien Personen in Qualifizierungsmaßnahmen, deren Perspektiven nun geschwächt würden.
Arbeitszeit: Sorge um Schutzstandards und Gleichstellung
Die im Vertrag vorgesehene Flexibilisierung der Arbeitszeit sieht die Arbeitskammer skeptisch. Die angestrebte Wochenarbeitszeit von bis zu 48 Stunden und die Steuerbefreiung von Überstunden könnten den Acht-Stunden-Tag untergraben und insbesondere Menschen mit familiären Pflege- oder Betreuungsverpflichtungen benachteiligen. Zudem stehen die Pläne zur Vertrauensarbeitszeit nach Einschätzung der Kammer im Widerspruch zur EU-weiten Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
Mitbestimmung: digitale Fortschritte ohne Substanzreform
Die Digitalisierung betrieblicher Mitbestimmung, etwa durch virtuelle Betriebsratssitzungen, wird begrüßt. Auch steuerliche Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder bewertet die Kammer positiv. Allerdings fehlen umfassendere Reformen, etwa zur Stärkung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat oder zur Eindämmung missbräuchlicher Rechtsformwechsel (z. B. SE-Gesellschaften).
Bildung: Impulse vorhanden, strukturelle Probleme ungelöst
Zuwächse bei der Sprachförderung, Investitionen in Schulbauten und die angekündigte BAföG-Reform werden grundsätzlich begrüßt. Allerdings bemängelt die Arbeitskammer das Fehlen einer Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel. Insbesondere in Kitas und Schulen seien bessere Arbeitsbedingungen notwendig, um Bildungsgerechtigkeit zu sichern.
Pflege und Gesundheit: Strukturprobleme bleiben bestehen
Der geplante Transformationsfonds für Krankenhäuser, der aus Infrastrukturmitteln gespeist werden soll, gilt als wichtiges Signal. Auch in der Pflege sind Reformen geplant. Doch zentrale Forderungen wie Tarifbindung, bessere Personalschlüssel und eine stärkere Mitbestimmung bleiben laut Kammer unausgeführt.
Rente: Stabilisierung mit begrenztem Horizont
Positiv bewertet wird die Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031. Auch der abschlagfreie Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren bleibt erhalten. Allerdings kritisiert die Kammer das Fehlen einer langfristigen Perspektive bis 2039, wie sie in früheren Planungen vorgesehen war.
Kommunale Finanzen: Unterfinanzierung trotz Investitionsfonds
Von dem 500-Milliarden-Euro-Investitionsfonds sind nur rund 20 Prozent für Kommunen vorgesehen – deutlich zu wenig, so die Einschätzung der Arbeitskammer. Im Falle des Saarlands könnten daraus lediglich rund zwei Millionen Euro pro Kommune resultieren. Auch die vorgesehene Altschuldenregelung wird als unzureichend bewertet. Saarländische Kommunen tragen Schulden in Höhe von 2,8 Milliarden Euro – die vorgesehene bundesweite Entlastung von 250 Millionen Euro sei lediglich ein symbolischer Schritt.
Schuldenbremse: Reform bleibt notwendig
Die geplante Öffnung der Schuldenbremse durch zusätzliche Kreditspielräume könnte dem Saarland jährlich 150 Millionen Euro einbringen. Für die Arbeitskammer bleibt aber eine grundlegende Reform zentral – etwa in Form einer „Goldenen Regel“, die kreditfinanzierte Investitionen ermöglicht.
Fazit: Signale in die richtige Richtung, aber unzureichende Tiefe
„Die Koalition sendet richtige Signale – beim Mindestlohn, bei Bildung und bei Finanzen“, resümiert Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes. Zugleich mahnt sie mehr Mut zu echten Strukturreformen an: „Echte soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven für Beschäftigte brauchen mehr als Signale. Sie brauchen substanzielle Investitionen und eine gerechte Lastenverteilung.“