Kaum zu glauben: England, das Mutterland des Fußballs, verliert 2:1 gegen den Fußballzwerg Island und nimmt so den direkten Exit heim ins Vereinigte Königreich. Im Moment läuft aber auch alles schief auf der Insel.
Brexit bei der EU und Exit bei der EM
Sowohl der Cheftrainer der Fußballmannschaft, als auch der Chef der Regierung, David Cameron, stellen notgedrungen ihre Posten zur Verfügung.
Und es werden nicht die Einzigen sein, die in ihren Hut nehmen müssen in diesem politischen und fußballerischen Chaos, das zurzeit auf der Insel herrscht.
Gleichwohl zeigen sich erfolgversprechende Ansätze in der im Neuaufbau befindlichen englischen Nationalmannschaft . Es sind genügend Talente vorhanden, mit denen man ein schlagkräftiges Team zusammenstellen und einspielen kann. Einen neuen Trainer zu finden wird kein Problem darstellen.
(Wenn wir gegen Italien verlieren, nur weil unser Trainer wieder „Knoddler“ (saarländischer Ausdruck für Fußballer, die sich selbst um-und überspielen, nicht wissend wo sich das gegnerische Tor befindet) aufstellt und eine unterirdische Chancenverwertung durch unsere Spieler nicht abstellen kann, hätten wir zu dieser Besetzung sogar einen Vorschlag zu machen.)
Und nicht zu vergessen, da ist ja noch das gallische Wales, (mit einem roten Drachen im britischen Wappen repräsentiert), jetzt im Achtelfinale der EM in Frankreich, und das sich bemüht noch einen Rest der fußballerischen Ehre des Vereinigten Königreiches zu retten.
Düster sieht es dagegen im Bereich der Politik aus: Der PM, David Cameron, hat sich verspekuliert. Er hat den Volksentscheid über den Verbleib von GB in der EU aus politisch taktischen Gründen eingesetzt und das Spiel jämmerlich verloren.
Aber um welchen Preis für uns alle, Briten und Resteuropäer?
Das politische Trauerspiel um den Brexit hat nicht nur die Märkte verunsichert sondern die ganze Weltwirtschaft. ( Nur die Russen feixen) Die Börsen sind auf Talfahrt. Die Aktienkurse der Finanzunternehmen und der Luftfahrgesellschaften sind besonders stark betroffen.
Die EZB macht Notfallpläne, bleibt aber in Deckung und wartet die weiteren Entwicklungen ab. Es gab nicht nur einen Schwarzen Freitag, wie schon in unserer Ausgabe am Freitag, den 24.06.16, vermutet, sondern auch einen Schwarzen Montag.
Milliarden an Vermögen (nach Christian Kahler von der DZ Bank circa 5 Billionen Dollar oder das Doppelte des Brutto Inlands Produktes von GB im letzten Jahr) sind mit diesem unsinnigen Referendum weltweit vernichtet worden und die Folgen werden wir Bürger an der Entwicklung unseres Lebensstandards zu spüren bekommen.
Dem Beobachter der politischen Szene drängt sich hier sofort die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Volksentscheiden auf.
Außer in der Schweiz haben wir in Europa repräsentative Demokratien, zwar in den verschiedensten Ausprägungen, aber gleich in den Grundfunktionen:
Der Bürger erteilt per Wahlentscheid einem fachkundigen Repräsentanten (politische Partei oder Kandidat), ein Mandat auf Zeit, wenn dessen Angebot ihm zusagt.
Warum also noch Volksentscheide? Volksentscheide sind gefährlich, weil der Wähler besonders bei komplexen Sachverhalten einfach überfordert ist. Die Gefahr des Missbrauches von Volksentscheiden durch Populisten, aber auch durch unverantwortliche Politiker zur Durchsetzung opportunistischer Ziele, ist sehr groß.
Der amerikanische „Think Tank“ und Analyst STRATFOR titelt hierzu in seiner gestrigen Ausgabe.
„How Refererendums Threaten the EU“ (Wie Volksentscheide die EU bedrohen)
“On the surface, referendums are the most formidable tool of democracy, giving voters a direct say on political, economic and social issues. They allow people to re-engage with the political process and give governments a popular mandate for major decisions that require a broad consensus. This explains why referendums are often used to reform constitutions or to make decisions on socially and politically sensitive issues (such as abortion or the death penalty).
But critics of referendums argue that they force voters to make decisions on complex issues about which they may not have complete knowledge. Referendums tend to create the illusion that complex issues can be presented in simple terms; the vote is often reduced to a binary „yes“ or „no“ answer. Referendums are also intimately linked to domestic political situations. Many citizens and political parties tend to see referendums as a vote on the government rather than on the issue under discussion, and the outcome is often determined by the economic situation or the popularity of the government at the time.”
Durch das populistisch fehlgelenkte Referendum hat nun der Urknall Brexit stattgefunden, ob vom britischen Wähler gewollt oder „brain-washed“ durch monatelange Hetzcampagnen, das sei dahingestellt.
Aber vielleicht können die Briten diese Entscheidung in einem Zweiten Referendum korrigieren. Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union:
2001 Irland stimmt in einem Volksentscheid gegen den Nizza Vertrag
2002 Irland stimmt in einem Volksentscheid für den Nizza Vertrag.
So ähnlich könnte es ja auch mit Großbritannien laufen. Und deswegen liegt unsere Kanzlerin richtig, indem sie bei ihren aufgeregten Kollegen Regierungschefs um Zeit bittet, bis sich die Briten einmal sortiert und eine parlamentarische Antwort auf den “ betrügerisch? “ zustande gekommenen Volksentscheid gefunden haben.
Vorsicht mit Volksentscheiden!
Direkte Demokratie muss zuerst einmal in den Parteien stattfinden und eine Aufhebung des Fraktionszwanges in den Parlamenten wäre ein erster Schritt in diese Richtung.
Rainer Kuhn