Der Quierschder:
Lieber Herr Hölscher, vor wenigen Tagen wurden Sie nach 35 Jahren als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in Fischbach und Quierschied „entpflichtet“, wie man die Verabschiedung kirchenrechtlich bezeichnet? Haben Sie die Feierlichkeiten genießen können oder ist die Wehmut bei Ihnen und Ihrer Frau doch ab und zu durchgedrungen?
Hans-Lothar Hölscher:
„Entpflichtung“ ist tatsächlich der gültige Ausdruck in unserer ev. Kirche für diesen entscheidenden Moment am Ende des Berufslebens. Vor allen Anwesenden – und die Kirche war übervoll! – wurde mir offiziell gesagt, dass der Dienst beendet ist. Mit seinen Pflichten! Natürlich winkt da Freiheit. Aber an dem Wochenende – im Konzert am Vorabend und dann im Gottesdienst – war die Wehmut groß. Denn mit den Pflichten entfallen ja auch die vielen Möglichkeiten der Gestaltung und der Begegnung. Es ist Abschied von so vielem und von so vielen!
Aber was viel stärker war, das ist die Dankbarkeit. Wir sind sehr dankbar für die Jahre in dieser Gemeinde und an diesem Ort. Überwältigend war die Verbundenheit gerade jetzt am Ende. Überwältigend und sehr wohltuend waren die musikalischen Beiträge, die Grußworte, dann all die Reaktionen der Gemeindemitglieder und der Gäste, die Zeichen des Dankes und die Ehrungen.
Die Feierlichkeiten waren tief bewegend – ich glaube für alle, die das miterlebt haben.
Und das konnten wir dann auch genießen.
Der Quierschder:
35 Jahre, das ist eine sehr lange Zeit. Bitte werfen Sie für uns einen kurzen Blick zurück. Was bleibt haften?
Hans-Lothar Hölscher:
Da würde ich zuallererst das Vertrauen nennen, das mir als Seelsorger geschenkt wurde. Ich durfte zuhören, mittragen, beistehen, auch mitfeiern. Mir standen viele Türen offen. Ich musste freilich auch oft das rechte Wort in schwierigen Situationen finden – in Trauer- oder Gedenkfeiern, an Unglücksorten, oder in den Gottesdiensten, besonders wenn die Zeiten nicht zum Jubeln sind.
Das Zweite ist die Freude, wie engagierte Ehrenamtliche und Hauptamtliche in großer Verantwortung Themen aufgreifen, Veranstaltungen durchführen, Gruppen leiten. Und ich bewegte mich mitten darin. Ich konnte Anstöße geben, selber gestalten, begleiten, koordinieren und – oft zusammen mit meiner Frau – dafür sorgen, dass Inhalt-
liches und Äußeres stimmig waren.
Haften bleiben die Entscheidungen, die wir im Presbyterium in den Jahren getroffen haben. Wir haben Arbeitsfelder und Aktionen beschlossen. Wir haben Gebäude unterhalten, damit Gemeinde ansprechende Räume hat. Wir haben neu gebaut und Wohnraum geschaffen. Wir haben auch Schließung beschließen müssen und zuletzt den Verkauf einer Kirche.
Sehr dankbar schaue ich zurück auf die Vernetzung, die im Laufe der Jahre gelungen ist. Damit meine ich die Ökumene und die Zusammenarbeit mit der Kommune, mit Regionalverband und Land, mit der Feuerwehr, mit den verschiedenen Hilfsorganisationen. Auf diese Weise haben wir einiges erreicht – von der Einzelfallhilfe über humanitäre Aktionen bis hin zur Notfallseelsorge.
Der Quierschder:
Als Rentner verfügen Sie nun über Freiräume. Unsere Leser wüssten sicherlich auch gerne, wie Sie Ihre Zukunft gestalten möchten. Gibt es da schon konkrete Ideen?
Hans-Lothar Hölscher:
Die nächsten Tage und Wochen werde ich brauchen, um wirklich zu begreifen, dass ich den Lebensabschnitt nach dem Beruf erreicht habe. Es wird, wie in den letzten Monaten, noch einiges an Akten und Büchern zu sortieren sein. Dann folgt der Auszug aus dem schönen Pfarrhaus.
Ich freue mich aber auf die Möglichkeit, vermehrt Musik und Sport zu treiben, in der Familie etwas zu unternehmen, zu reisen, zu lesen oder auch den Blick auf die Uhr zu lassen und mal nichts zu tun. Da ich als Notfallseelsorger – mit Einsätzen und vielen Leitungsaufgaben – weiter aktiv bleibe, wird der Ruhestand dann so ruhig doch nicht.
Der Quierschder:
Herzlichen Dank für das Gespräch, das kurz vor Ihrer Abreise stattfand. Wir wünschen Ihnen einen schönen Urlaub!