Innenminister Klaus Bouillon stellte am Mittwoch, 24. März 2021, gemeinsam mit Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean und dem Leiter des Landeskriminalamtes Gerald Stock die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 vor.
Innenminister Klaus Bouillon: „Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben im Saarland die Kriminalitätsentwicklung beeinflusst. Generell ist festzustellen, dass die Fallzahlen insgesamt erfreulicherweise erkennbar zurückgegangen sind.“
Demnach registrierte die Polizei im Saarland 68.400 Straftaten (2019: 74.720 Straftaten; 2018: 70.873 Straftaten; 2017: 70.860 Straftaten). Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von 8,5% (6.320 Fälle). Gleichzeitig verbesserte sich die Aufklärungsquote (AQ) um 3,8 Prozentpunkte auf 57,8 % (2019: 54,0 %).
Deutlich gestiegen sind die Fallzahlen bei den Straftaten gegen das Leben und gegen die sexuelle Selbstbestimmung, insbesondere im Deliktsbereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung pornografischer Schriften/Erzeugnisse (Tatmittel Internet). Im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen.
Die Entwicklung bei den Straftaten gegen das Leben ist einerseits unter anderem mit Verfahrensabschlüssen zurückliegender Ermittlungsverfahren zu begründen, die in die PKS 2020 eingeflossen sind, und andererseits mit einer veränderten staatsanwaltschaftlichen Klassifizierung, z. B. der besonders schweren Brandstiftung als versuchte Tötungsdelikte.
Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean: „Mord verjährt nicht. Deshalb will ich nicht unerwähnt lassen, dass wir seit 2020 einen neuen Arbeitsbereich für ‚Cold-Case-Fälle‘ eingerichtet haben. In diesem Bereich werden in einem Vier-Augen-Prinzip so genannte Alt-Fälle wieder aufgegriffen. Es wird erhoben, ob neue Ermittlungsmethoden oder neue Ansätze gefunden werden können, um diese Taten zu klären.“ Die Entwicklungen in diesem Bereich werden sicher die künftigen Kriminalstatistiken beeinflussen, so Grandjean.
Eine verstärkte Nutzung des Internets während der Pandemie könnte zu mehr Tatgelegenheiten und damit zu dem Fallzahlenanstieg bei den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung geführt haben. Gerade im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern kommt dem Tatmittel Internet eine immer stärkere Bedeutung zu. Dabei geht die überwiegende Anzahl der Fälle auf das Einwirken auf Kinder z. B. mittels Schriften oder pornografischen Abbildungen zurück. Zählte das Landespolizeipräsidium im Jahr 2019 hier 200 Fälle im Deliktsbereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Tatmittel Internet (28,1 % Anteil an der Gesamtzahl der 713 Fälle), so waren es im aktuellen Berichtsjahr 322 Fälle (36,5 % Anteil an der Gesamtzahl 883 Fälle). Insbesondere bei der Verbreitung pornografischer Schriften spielte das Tatmittel Internet in 91,5 % der Fälle, also in 270 der 295 Fälle, eine wichtige Rolle (2019: 168 von 192 Fälle, 87,5 %) – eine Entwicklung, die sich abzeichnete.
Innenminister Klaus Bouillon: „Wir müssen auch in der digitalen Welt für den Schutz der Bürger*innen und vorrangig für den Schutz der Kinder sorgen. Mein Ministerium und das Landespolizeipräsidium werden daher mit den verschiedenen Netzwerkpartnern die Präventionsbemühungen weiter verstärken. Um darüber hinaus den Herausforderungen entsprechend zu begegnen, werden wir weiter gegensteuern: Aktuell laufen die Planungen für den Bau eines Cyberabwehr- und Trainingszentrums (CATZ) in Göttelborn und mit der Änderung der Laufbahnverordnung haben wir zusätzlich die Möglichkeit, entsprechende Cyberkriminalisten einzustellen.“
Im Bereich der Wirtschaftskriminalität haben insbesondere der Subventions-, der Geldkredit- und der Provisionsbetrug stark zugenommen (+62 Delikte/+6.200 %; +51 Delikte/+159,4 %; +21 Delikte/+46,7 %). Diese Zunahme hängt eng mit der Beantragung von Corona-Soforthilfen zusammen. Auch beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist ein Anstieg von +80,4% (+74 Delikte) zu verzeichnen.
Bei den Rohheitsdelikten, den Straftaten gegen die persönliche Freiheit, sowie bei den Diebstählen dagegen beobachtete das Landespolizeipräsidium einen Rückgang. Diese Entwicklung muss ebenfalls im Kontext der Pandemie gesehen werden: Die Schließung von Gaststätten, Diskotheken, Geschäften, Hotels, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie eine Sperrzeitverlängerung im Rahmen des ersten als auch zweiten Lockdowns haben zu fehlenden Tatgelegenheiten geführt. Ein erhöhtes Entdeckungsrisiko dürfte aufgrund des vermehrten Aufenthalts der Bürger*innen zuhause durch Homeoffice zu einem Rückgang der Fallzahlen beigetragen haben. Zeitgleich wurden im Bereich Wohnungseinbruchdiebstahl mehrere Ermittlungsverfahren abgeschlossen und Tatverdächtige teilweise mit Haftbefehlen belegt. Die Schließungen und die Reduzierung des öffentlichen Lebens hatten zudem weniger Polizeieinsätze wegen alkoholbedingter oder sonstiger Auseinandersetzungen zur Folge. Zusammen mit der Tatsache, dass taktische Einsatzmittel wie Body-Cam und Taser meist deeskalierend auf das polizeiliche Gegenüber wirken, könnte dies für einen Rückgang der Fälle des Widerstandes gegen und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen mitverantwortlich sein.
Im Phänomenbereich der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen zählte das Landespolizeipräsidium insgesamt 1.271 Fälle (2019: 625 Fälle). Beim Modus Operandi „Enkeltrick/Schockanruf/Gewinnversprechen“ wurden 585 Fälle verzeichnet (2019: 625 Fälle). Hinzu kommt, dass seit dem 1. Januar 2020 in der PKS erfasste Phänomen des falschen Amtsträgers („falscher Polizeibeamter“) im Berichtsjahr 686 Fälle aufweist. Die vom LPP initiierten Präventionsmaßnahmen und die intensive Öffentlichkeitsarbeit zeigen positive Wirkungen: So blieb es in den meisten Fällen (96%; 2019: 93,1%) bei einem Versuch; 2020 wurden lediglich 51 Taten vollendet. Der entstandene Schaden dagegen ist immens: er stieg von 248.296 Euro auf 981.659 Euro an. In zwei Fällen kam es zur Übergabe von sehr hohen Geldsummen (200.000 Euro und 500.000 Euro), wodurch die Gesamtschadenshöhe deutlich gesteigert wurde.
Gerald Stock, Leiter der Direktion LPP 2 Kriminalitätsbekämpfung/LKA erklärt hierzu: „Die Fallzahlen bereiten uns Sorgen, weil ältere Menschen um ihr Erspartes gebracht werden. Wir sind aber der Überzeugung, dass unsere Präventionsmaßnahmen greifen, was den hohen Anteil an Versuchen erklärt.“
Im Phänomenbereich der Häuslichen Gewalt zeigt sich bei den polizeilich bekannt gewordenen Fällen bisher kein Anstieg, sondern ein nahezu gleichbleibendes Fallzahlenaufkommen mit 2.739 Delikten (-51 Delikte/-1,8 %). Bei den Straftaten im Bereich Häuslicher Gewalt ist aber von einem hohen Dunkelfeld auszugehen. Noch immer werden ca. 85 % der Straftaten in diesem Bereich nicht oder erst Monate oder Jahre nach dem eigentlichen Geschehen angezeigt.
Für den Phänomenbereich der Politisch motivierten Straftaten (PMK) wurde eine steigende Fallzahlenentwicklung auf 381 Delikte (+15 Delikte/+4,1 %) festgestellt. Dabei weist der Phänomenbereich „PMK-rechts“ mit 266 registrierten Delikten eine nahezu gleichbleibende Fallentwicklung auf (+2 Delikte/+0,8 %). Den Schwerpunkt bilden hier die Propagandadelikte gem. § 86a StGB (Bsp. Schmierereien von Hakenkreuzen), die meist durch unbekannte Täter begangen wurden.
Neben den Propagandadelikten bilden die Delikte im Themenfeld „Hasskriminalität“ den zweiten Schwerpunkt, wobei die Fälle von Hasspostings rückläufig sind. Rückgänge bei den registrierten Delikten im Phänomenbereich „PMK-rechts“ konnten bei den antisemitischen Straftaten von 24 auf 20 Fälle konstatiert werden (-4 Delikte/ -16,7 %).
Innenminister Klaus Bouillon: „Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und auch die Kriminalität. Die saarländische Polizei ist hierfür bestens gerüstet und geht selbst auch neue moderne Wege, z.B. durch die Einrichtung der Onlinewache, mit der jede Bürgerin und jeder Bürger jederzeit auch von zu Hause aus Strafanzeigen online erstatten kann. Dieses Angebot wurde 2020 insbesondere für Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie Betrugsstraftaten verwendet. Ca. 45% der Onlineanzeigen betrafen eines dieser Delikte, aber auch Eigentumsdelikte und Sachbeschädigungen wurden verstärkt zur Anzeige gebracht. Die Polizei geht davon aus, dass die Anzeigebereitschaft weiter deutlich erhöht werden kann.“
Die Zahlen der PKS im Detail:
Delikte | 2020 | Entwicklung zum Vor-jahr |
Straftaten gegen das Leben: | 44(Versuchsstadium: 29) | 46,7% (+14 Delikte)(Versuchsstadium: 65,9 %) |
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: | 883 | +23,8 % (+170 Delikte) |
Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit: | 10.661 | – 6,3 % (-711 Delikte) |
– davon Körperverletzungen: | 7.256 | -8,1 % (-636 Delikte) |
Diebstähle: | 20.842 | -9,2 % (-2.103 Delikte) |
Wohnungseinbruchsdiebstahl: | 1.371 | -7,4% (-109 Delikte) |
Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte: | 409 | -12,2 % (-57 Delikte) |
Wirtschaftskriminalität: | 689 | +17,2 % (+101 Delikte) |
Häusliche Gewalt: | 2.739 | -1,8 % (-51 Delikte) |
Politisch motivierten Straftaten (PMK): | 381 | +4,1 % (+15 Delikte) |
– davon PMK-rechts | 266 | +0,8 % (+2 Delikte) |
– davon Antisemitische Straftaten: | 20 | -16,7 % (-4 Delikte) |
Onlinewache | 7.449 Anzeigen | +198,7 % (+4.955 Anzeigen) |