Die Sulzbacher Stadtverwaltung hatte für den 8. Juli eine „Bürgerwerkstatt“ zum Thema Trenkelbachviertel angekündigt, die aufgrund der unkalkulierbaren Wetterlage nicht vor Ort, sondern auf der überdachten Terrasse des gastfreundlichen Angelsportvereins stattfand. Wer nun dachte, „Bürgerwerkstatt“ sei ein zufällig gewählter Begriff, der irrt. Es ist ein oft in der Kommunalpolitik verwendetes Beteiligungsverfahren, das sicherstellen soll, dass alle Ideen zur Gestaltung eines Bereiches gesammelt und in die Diskussion aufgenommen werden. Beabsichtigt ist es, eine Lösung auf Basis einer breiten Mitwirkung zu finden. (Wikipedia)
Die Problemstellung im Hühnerfelder Ortsteil ist bekannt: Viele Anwohner fühlen sich von zwei zugezogenen, ausländischen Familien aus der Weststraße bedroht und durch andauernden Lärm, Beschimpfungen und herumgeworfenen Müll dauerhaft belästigt. Im Frühjahr eskalierte die Situation vollends, als Kinder einer Familie geschlagen wurden. Polizei und Politik wurden eingeschaltet. Das Thema wurde im Stadtrat behandelt. Als Lösungsvorschlag präsentierte Bürgermeister Adam einen moderierten Dialog zwischen den Parteien, den die Integrationsbeauftragte Monique Broquard leitete. Man traf sich mehrmals im Salzbrunnenhaus, doch mehr als ein Burgfrieden wollte nicht gelingen. Dieser brach zuletzt auch noch weg. Die Beschimpfungen und der Dauerlärm durch die Kinder der beiden Familien setzten wieder ein. Nun sollte also die „Bürgerwerkstatt“ Besserung bringen.
Eingeladen neben den Bürgern waren u.a. der Leiter der Sulzbacher Polizeiinspektion, Markus Müller, VertreterInnen des JUZ und der caritas Gemeinwesenarbeit, sowie MitarbeiterInnen von verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung wie Ordnungsamt und City-Wache. Sie alle sollten dazu beitragen, dass alle Bewohner des Trenkelbachviertels friedlich und ohne Spannungen miteinander leben können.
Den Kindern fehle die Beschäftigung. Monique Broquard, die mit den albanischen Familien in Verbindung steht, war zu diesem Schluss gekommen. Die Kinder selbst, die mit ihren Müttern anwesend waren, hatten während der gut dreistündigen Veranstaltung mehrmals die Möglichkeit, ihre Ansichten zu schildern und bestätigten dies. Um die Situation in den Sommerferien zu entspannen, haben die Verantwortlichen der Stadt und die caritas Gemeinwesenarbeit (GWA) mit Vereinen in Sulzbach und Hühnerfeld ein Sommerprogramm aufgelegt, das die Kids von der Straße holen soll. Fußball, Angeln, Besuche bei der Feuerwehr, dem THW und bei den Vogelfreunden Hühnerfeld sind vorgesehen.
Von polizeilicher Warte sei das Viertel gegenwärtig ruhig, die Aktenlage unauffällig. Deshalb habe man auch die zu Beginn festgelegte Frequenz an Streifenfahrten reduziert, erklärte Polizeichef Müller. „Bei uns gehen wenig Beschwerden ein“. Das JUZ wies auf den Tag der offenen Tür am 30. Juli, 15 Uhr hin und lud alle ein, vorbeizukommen.
Den meisten „Input“ lieferte Andreas Neumüller, der Leiter der caritas GWA in Sulzbach. Neben Spielkreisen und Ferienprogrammen, könne man beispielsweise Nachbarschaftsfeste organisieren. Ziel der GWA sein das Zusammenleben zu fördern.
Als es zur Aussprache kam, zeigten sich die Anwohnerinnen und Anwohner skeptisch. Immer wieder höre man homophobe und frauenfeindliche Beschimpfungen durch die Kinder. Schichtarbeiter kämen nicht zur Ruhe, weil der dauernde Lärmpegel sie nicht schlafen ließe. Es seien zwar insgesamt weniger Vorfälle geworden, aber im Grunde habe sich nichts verbessert. Die Spannungen würden steigen. Die Kinder der Zugezogenen verhielten sich völlig respektlos und auch deren Eltern reagierten bestenfalls „zombiehaft“ auf ihre Nachbarn. „Man muss sich schämen, in diesem Viertel zu leben“ brachte eine der Betroffenen hervor. Eine Änderung sei schon deshalb nicht möglich, weil die Eltern es den Kindern ja vorlebten.
Auch Bürgermeister Adam wurde hart angegangen. Ob er seine Töchter in JUZ schicken würde, kam etwa als (rhetorische) Frage. Eine andere Stimme wollte wissen, ob er dort leben wolle. Adam konterte, in dem er auf die rechtliche Situation verwies: Der Staat habe sich aus der Erziehung herauszuhalten. Deshalb seien die Mittel begrenzt. „Unser Ansatz war, noch einmal ins Gespräch zu kommen“.
Von Jochen Wagner, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU im Sulzbacher Stadtrat, kam der Vorschlag, einen Streetworker einzubinden. Doch die Vertreter des JUZ machten wenig Hoffnung auf eine derartige Unterstützung durch den Regionalverband. Immerhin will die GWA einen Sozialarbeiter stellen, der auch abseits der normalen Arbeitszeiten zur Verfügung steht. Um die Kinder dauerhaft von der Straße zu holen, ist die Stadtverwaltung auf der Suche nach einem Gelände, auf dem eine Berg- und Talbahn für BMX-Räder installiert werden soll.
Von den albanischen Vätern der Kinder, um die sich ein Großteil der Probleme dreht, war – wie auch schon während der Schlichtungsgespräche – keine Spur. Dafür äußerten sich die beiden Mütter. Eine sagte, sie ermahne ihre Kinder immer wieder, sich ordentlich benehmen und nicht handfrei radzufahren. Aber sie dringe nicht durch. Zum Schluss des Treffens verteilten die Jugendorganisationen Flyer mit ihren Ferien- und Beschäftigungsangeboten, die offensichtlich auf Interesse bei den Kindern stießen.
Viele Bürger blieben nach der Veranstaltung noch auf der schönen Terrasse des Hühnerfelder Angelsportvereins und diskutierten miteinander, wobei man dem Bemühen der Stadtverwaltung durchaus Anerkennung zollte. „Over the top“ erschien vielen allerdings der Vorschlag das schlechte Benehmen der „Kindergang“ mit einem BMX-Platz zu würdigen. „Früher hätte es dafür eins hinter die Ohren gegeben“ war als Kommentar zu hören. Was den Anwohner fehlt, ist die Frage nach dem „Warum?“. Eine Lösung könne nur gefunden werden, wenn die Ursache des Verhaltens ergründet werde. Ansonsten würde sich nichts ändern.
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