Am grenzüberschreitenden Volkstrauertag in Saarbrücken und Spicheren wurde zum ersten Mal unter Anwesenheit des Präfekten des Départements Moselle, Laurent Touvet, aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Seine Teilnahme zeigt, dass die Gedenkveranstaltung im Nachbarland auf höchster Ebene wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Neben dem Hauptredner, Oberst Matthias Reibold, gestalteten hauptsächlich junge Menschen die Gedenkstunde in der Ludwigskirche. Hervorgehoben wurde vor allem der Angriffskrieg in der Ukraine. Traditionsgemäß verliest der oder die Landtagspräsident/in das Totengedenken. Auch Heike Becker übernahm diese Rolle gern.
Oberst Matthias Reibold, Kommandeur Landeskommando, greift in seiner Gedenkrede kritische Stimmen auf, die im Volkstrauertag einen Anachronismus sehen. Doch sie würden laut Reibold den Volkstrauertag aus einer historischen Perspektive betrachten. Er wolle diese Perspektive aber um die Einbeziehung der Gegenwart und Zukunft erweitern. Ebenso wie unsere Gesellschaft habe sich auch das Gedenken um den Volkstrauertag weiterentwickelt. Der Landesverband Saar habe die Zeichen der Zeit erkannt. Durch die Schwerpunktsetzung auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Einbindung sowohl von Jugendlichen als auch Menschen zahlreicher Nationen in ein gemeinsames Gedenken habe er gezeigt, dass der Volksbund nicht in der Vergangenheit stehengeblieben sei.
Landesvorsitzender Werner Hillen erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass der aktuelle Krieg in der Ukraine auf den Ersten Weltkrieg – die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts – zurückzuführen sei. Auch die Jugendlichen blickten in ihren Textbeiträgen zurück auf die Vergangenheit und darauf, dass vor allem junge Menschen oft die Leidtragenden seien. Sie seien es jedoch auch, die die Zukunft gestalten und etwas bewirken könnten.
Katharina Dewald und Anastasia Gutmann vom Hochwaldgymnasium Wadern übertrugen eine Rede der damaligen Prinzessin Elisabeth von 1940 an die Kinder Englands in die heutige Zeit. „Damals wie heute ist eine unbeschwerte, fröhliche Kindheit und Jugend durch den Sturm des Krieges weggefegt worden.“ Wie Prinzessin Elisabeth vor 82 Jahren sprachen die Schülerinnen gestern den Kindern der Ukraine Mut zu: „Wir hoffen, dass wir alle vereint sind, Recht, Freiheit und Frieden in Europa zu verteidigen!“ Maurice Kuntz, Sprecher des Jugendarbeitskreises des Volksbundes, zeigte auf, welches Leid das ukrainische Volk im Zweiten Weltkrieg ertragen musste, und wie viele Menschen nun im aktuellen Krieg durch verschiedene Kampfhandlungen schon ihr Leben ließen. Er schaute besorgt in die Zukunft und fragte sich, ob der Dritte Weltkrieg bevorstünde. Er wolle sich mit dem Jugendarbeitskreis für eine friedvolle Zukunft einsetzen.
Der Chor des Gymnasiums am Stefansberg aus Merzig unter Leitung von Jürgen Diedrich sang mit 80 Stimmen unter anderem „Ich glaube, dass man die erst man fragen müsste, mit deren Blut und Geld man Kriege führt.“ von Udo Jürgens und sorgte damit für Gänsehaut. Begleitet wurde er von Jürgen und Moritz Diedrich an der Orgel und von Stefan Christian an der Violine.
Nach den traditionellen Kranzniederlegungen an dem französischen Hochkreuz, dem amerikanischen Ehrenstein und dem deutschen Soldatenfriedhof auf den Spicherer Höhen rundeten der Präfekt sowie der Bürgermeister von Spicheren, Claude Klein, den Tag mit ihren Reden auf Deutsch und Französisch im Rathaus ab. Der Präfekt wies darauf hin, dass Deutsche und Franzosen Seite an Seite als stabiler Sockel gegen die Gleichgültigkeit und das Vergessen stünden. Beim Ehrenwein hatten die Gäste im Anschluss Gelegenheit, sich auszutauschen.
Insgesamt waren ca. 150 Personen der Einladung des Volksbundes gefolgt, darunter hochrangige Vertreter*innen der Landesregierung, des Landtages, der Stadt Saarbrücken, der Bundeswehr, des Reservistenverbands, der Kirchen sowie von Vereinen und Verbänden. Aus Frankreich waren wieder zahlreiche Gäste dabei, ebenso wie Colonel Todd Allison, Deputy Commanding Officer vom 21st Theater Sustainment Command in Kaiserslautern, mit seiner Ehefrau und einer amerikanischen Fahnenabordnung.
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Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. wurde 1919 gegründet und ist seitdem im Auftrag der Bundesregierung für die Suche und Identifizierung von deutschen Kriegstoten im Ausland sowie für deren würdige Bestattung und den Erhalt ihrer Gräber zuständig. Seit seiner Gründung hat er in 46 Ländern mehr als 830 Kriegsgräberstätten mit knapp 2,8 Mio. Gräbern errichtet. Die Landesverbände im Inland organisieren u.a. die Haus- und Straßensammlung, Friedens- und Jugendprojekte und die Gedenkstunde am Volkstrauertag. Zudem sind sie Ansprechpartner für Mitglieder und Angehörige und unterstützen die Kommunen in der Kriegsgräberfürsorge. Der gemeinnützige Verein finanziert seine Arbeit zu 70% aus privaten Geldern und ist daher auf Mitglieds- und Spendenbeiträge angewiesen.
Quelle Volksbund