Altenwald/Dudweiler. Am 14. Oktober 2022 feierte Edith Feistel ihren 104. Geburtstag. Wenn man mit ihr zu tun hat und ihr Alter nicht kennt, würde man sie wahrscheinlich um die 75 Jahre schätzen. Aufrechter Gang, klare Stimme und sie macht ihren Haushalt noch selbst. Einmal in der Woche kommt eine Freundin, die ihr ein bisschen hilft und ihre Kinder und Enkelkinder gehen auch manchmal für sie einkaufen.
Die Geburtstagsfeier fand wie im vergangenen Jahr im Clubheim der Eintracht-Altenwald statt, das nur für besondere Anlässe geöffnet wird. In ihrer Einladung zur Geburtstagsfeier war zu lesen: „Schon wieder ist ein Jahr vergangen und ich freue mich, dass ich meinen 104. Geburtstag am 14.10. wieder gemeinsam mit euch feiern kann. Los geht´s ab 11 Uhr im Clubheim der Eintracht Altenwald, in Sulzbach-Altenwald, Richard-Eberle-Straße. Ich freue mich schon darauf, euch alle zu einem Crémant, lecker Büffet, Kuchen und Kaffee und natürlich zum „sproche“ begrüßen zu können. Gute Laune müsst ihr mitbringen. Eure Edith Feistel“.
Sie begrüßte tatsächlich jeden einzelnen Gast mit ein paar Worten und einem Glas Sekt und empfahl sich an dem großen kalten Büffet zu bedienen. Mit 104 Jahren noch eine perfekte Empfangsdame und man sah ihr die Freude an, dass trotz Corona so viele Gäste gekommen sind.
Im Regionalverband Saarbrücken ist sie durch ihre Ehrenmitgliedschaft in vielen Vereinen bekannt. Wegen ihrer positiven Lebenseinstellung und ihres natürlichen Humors wird sie sehr geschätzt. In wieviel Vereinen sie Ehrenmitglied ist, da muss sie schon überlegen aber sie kann sich doch erinnern.
Mit neun Jahren wurde sie beim TV Altenwald-Schnappach in der Leichtathletikabteilung angemeldet. Mit 17 Jahren war sie Übungsleiterin und bis 2020 war sie die älteste Übungsleiterin Deutschlands. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr war sie aktive Sportkeglerin in der Undine. Weiter zählt sie auf: Naturschutzbund NaBu, Arbeiter-Samariter-Bund, Awo Bischmisheim, Gesangsverein Eintracht Altenwald, bei den Katholischen Frauen und natürlich durch ihren Beruf beim Bundesbahnsozialwerk. Vielleicht fehlen noch einige.
Edith wird jedes Jahr zum Konfirmationsjubiläum eingeladen. Bis zum 85. Lebensjahr gibt es zum Schluss die Engelskonfirmation. An jedem Geburtstag erhält sie immer noch viele Glückwünsche per Post, Telefonate oder Nachbarn in der Nähe klingeln kurz bei ihr. Aufgrund ihres Alters werden die Gratulationen natürlich auch weniger.
Nach der Volksschule wurde sie Fachverkäuferin. Aber sie wollte mehr machen und erleben. Sie bewarb sich bei der Reichsbahn am Güterbahnhof in Saarbrücken als Büroangestellte. Was Besseres konnte ihr nicht passieren. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen.
Dann kam der Zweite Weltkrieg. Ihre Familie wurde kriegsbedingt nach Rüdesheim und Mainz evakuiert, wo sie 1940 heiratete. Im selben Jahr zogen sie wieder in ihre alte Heimat ins Saarland. 1942 wurde Edith ins polnische Krakau versetzt. Sie musste bis Kriegsende dort bleiben. Mit den Amerikanern ging es über Frankfurt und Neunkirchen wieder nach Altenwald und dann nach Saarbrücken und immer ohne Ausweis oder andere Papiere, wie sie betont.
1960 zog die Familie in das Neubaugebiet am Guckelsberg, wo sie heute alleine lebt. 1990 feierte Edith Goldene Hochzeit. Seit 1995 ist sie Witwe. Mit 104 Jahren ist sie stolz auf ihre Großfamilie. Dazu gehören die Töchter Gudrun, Krimhild und Kai, Sohn Immo, sieben Enkel, fünf Urenkel und ein Ururenkelkind.
Wenn Edith Episoden aus ihrem Leben erzählt, hört man gerne zu. Ein Erlebnis aus den 1930 Jahren erzählt sie öfters im kleinen Kreis. Sie war Führerin einer „Bund deutscher Mädchengruppe(BDM)“. Sonntagsmorgen zog sie mit der uniformierten Gruppe durch Altenwald und erfreute die Menschen mit bekannten alten Volksliedern, die sie bestimmte. Das war der damaligen Partei nicht so recht. Sie wurde öfters ermahnt, die neuen nationalistischen Volkslieder mit ihren Mädchen zu singen. Sie haben Edith nicht gekannt, denn sie hielt sich nicht an die Aufforderung. Nach mehrmaligen Verwarnungen wurde sie von der Partei vorgeladen und man drohte ihr mit Arbeitslager. Edith war immer schon eine tatkräftige Frau und arbeitete auch gerne. Deshalb war sie damit einverstanden. Daraufhin hätten sich die Parteivorstandmitglieder ratlos angesehen und wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie gingen sicherlich davon aus, das Edith nicht gewusst hatte, was ein Arbeitslager war. Sie wurde auch nie Parteimitglied. Diese Standhaftigkeit hat sie ihr Leben lang erhalten auch wenn sie damit manchmal aneckte.
Zu den Gratulanten kamen der Vorsitzende des TV Altenwald-Schnappach, Horst Michler, und Schriftführerin, Karin Leidinger. Nachmittags schaute, nicht wie gewohnt der Bezirksbürgermeister Ralf-Peter Fritz, sondern in Vertretung die junge Bezirksbeigeordnete (FDP), Annabelle Lintz-Sonntag mit einem großen Blumenstrauß vorbei und setzte sich gleich zu Ediths Tischrunde. Sie schien sich wohl zu fühlen bei der älteren Generation.
Gegen Ende der Geburtstagsfeier bedankten sich Edith und ihre Gäste bei Luigi und seinem Team für die reibungslose Bedienung des Festes. Dass viel Essen übrig bleiben würde, hatten manche schon befürchtet. Nicht nur, dass jeder Gast etwas mitnehmen konnte, sogar fertige Verpackungen lagen bereit und abends ließ die Fußballabteilung nichts mehr übrig. Gut gemacht und alle waren zufrieden.
Trotz des anstrengenden Tages verabschiedete Edith die meisten Gäste noch persönlich und wie immer lud sie alle für das nächste Jahr wieder ein.
Lothar Ranta