Das Fass machte er selbst auf: In einem Beitrag der Saarbrücker Zeitung vom 21.7. stand zu lesen, der saarländische Gesundheitsminister stehe hinter der Entscheidung zweier saarländischer Gesundheitsämter, ungeimpfte Pflegekräfte zu sanktionieren. Dabei erweckte er den Eindruck, als sei dies vom Gesetzgeber geboten: „Es handele sich um ein Bundesgesetz, das von allen Ländern umgesetzt werde.“
Die Aussage ist inhaltlich falsch, was auch Marc Helfen, Pressesprecher des Landespflegerates des Saarlandes, bestätigt: „Wir wissen aus den unterschiedlichen im LPR gebündelten Verbänden, dass in verschiedenen Landkreisen anderer Bundesländer keine Betretungsverbote ausgesprochen werden, auch wenn der Impfstatus ungeklärt oder kein Impfschutz vorhanden ist. Uns werden dabei insbesondere Einzelfälle in den östlich gelegenen Bundesländern gemeldet, bei denen die Gesundheitsämter von Betretungsverboten absehen, weil ansonsten die Versorgungssicherheit in den betroffenen Einrichtungen nicht mehr gewährleistet werden könne. Hier sei exemplarisch der Landkreis Mittelsachsen genannt“.
Das Statement von Dr. Magnus Jung gibt den juristischen Sachverhalt insofern nicht korrekt wieder, als gemäß §20a, Abs. 5 des Infektionsschutzgesetztes das Gesundheitsministerium Zutrittsverbote erlassen kann. Von Muss ist keine Rede.
Die Konsequenzen einer derartigen Umsetzung könnten fatal sein. Denn gerade im Pflegebereich, in einer Branche, „die schon heute SOS funkt“ (Hermann Scharf, CDU) droht der Kollaps. Das befürchtet auch der Mediziner und Gesundheitsexperte Dr. Helmut Isringhaus von der FDP: „Da ein massiver Mangel an medizinischem Personal besteht, sollte von den Verantwortlichen gut abgewogen werden, ob ein solches Behördenhandeln den Mangel nicht noch weiter verschlimmert.“
Diesen Mangel dokumentierte Dr. Jung zwei Tage später, in dem er ankündigte, man wolle 1000 Pflegekräfte im Ausland anwerben, eine Maßnahme, die kurzfristig nicht hilft und zusätzliche Mittel verschlingt.
Jung erhält nun zusätzlich Gegenwind aus dem eigenen politischen Lager. Denn auch in der Arbeitskammer regt sich Widerstand gegen die Vorgabe des Ministeriums:
„In Sachen Versorgungssicherheit sehen wir eine riesige Gefahr für die Patienten und die Pflegebedürftigen“, betont Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes. Aber nicht nur für sie. „Auch die verbleibenden Pflegekräfte sind betroffen. Sie arbeiten sowieso seit Monaten und Jahren am Limit. Wenn jetzt auch noch Kolleginnen und Kollegen aus dem System geholt werden, droht ihr vollständiger Kollaps“, mahnt Zeiger. „Wenn die verbleibenden Pflegekräfte kurz- und mittelfristig auch noch wegfallen, ist die Versorgungssicherheit komplett in Gefahr. Deshalb muss hier dringend eine Risikoabwägung erfolgen.“
Lars Weber, Pressesprecher des Regionalverbandes, antwortete auf unsere Frage nach der Zahl der betroffenen Kräfte, das Amt habe bereits bei 2/3 der angeschriebenen Person Rückmeldung erhalten. „In etwa 300 Fällen steht die Reaktion der angeschriebenen Personen noch aus. Die restlichen Fälle befinden sich entweder in Bearbeitung oder in der Klärung, indem z.B. eingereichte Atteste und Nachweise geprüft werden. Betretungs- und Tätigkeitsverbote oder Bußgelder wurden im Regionalverband bisher noch keine ausgesprochen. Rund 80 Betretungs- und Tätigkeitsverbote werden voraussichtlich frühestens ab Anfang September in jenen Fällen ausgesprochen, in denen die Impfung kategorisch abgelehnt wird.
Unabhängig von dem massiven Eingriff in die Rechte der Betroffenen, die durch das Zutrittsverbot zumeist ihren Arbeitsplatz verlieren dürften, bringt die Arbeitskammer ein weiteres Gegenargument hervor: „Die nicht geimpften Pflegekräfte haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie das System mit am Laufen halten und nicht zu einer nachweislichen erhöhten Gefährdung der gepflegten Personen beigetragen haben“, schreibt Beatrice Zeiger in einer Pressemeldung.