Als Reaktion auf die Vorschläge der CDU Fraktionsmitglieder Wagner und Schmitt – Lang zur Reform des Gymnasiums fordert der bildungspolitische Sprecher und ehemalige Grünen Bildungsminister Klaus Kessler mehr Fakten zur Kenntnis zu nehmen, anstatt ideologiegeleitete Vorschläge aus der pädagogischen Mottenkiste zu ziehen. Allein die pauschale Kritik an der Qualität des Gymnasiums und die Infragestellung des Wertes der allgemeinen Hochschulreife entbehrt jeder faktenbasierten Grundlage und ist zudem noch ein Schlag ins Gesicht vieler sehr engagierter Lehrerinnen und Lehrer am Gymnasium. Zu Beginn des neuen Schuljahres unter erschwerten Corona Bedingungen sollten sich die CDU Fraktionsmitglieder besser für kleinere Klassen am Gymnasium, mehr Lehrerstellen und unbefristete Einstellungen sowie umfangreiche Gesundheitsschutzmaßnahmen einsetzen, anstatt die derzeitige Arbeit am Gymnasium schlecht zu reden. Zu einzelnen Forderungen erklärt Klaus Kessler:
„Die Forderung nach Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung fürs Gymnasium lässt sich weder durch wissenschaftliche noch statistische Daten rechtfertigen. Die Anmeldezahlen am Gymnasium sind nach der Abschaffung nicht nach oben geschnellt und bis heute gleichmäßig stabil geblieben. Das verbindliche Beratungsgespräch der Grundschullehrkräfte hat sich bewährt und die Eltern gehen verantwortungsvoll mit der Grundschulempfehlung um. Die überwiegende Zahl der anderen Bundesländer hat die gleiche Regelung wie das Saarland und zieht eine Beratung der Eltern einer Bevormundung vor.
Auch beim Fremdsprachenunterricht geht die CDU Kritik an der Realität vorbei. Das Sprachenkonzept der Landesregierung, basiert noch auf der Regierungszeit der Grünen, ist bundesweit anerkannt und Prüfungsformate beschränken sich überhaupt nicht nur auf mündliche Sprachprüfungen, sondern beziehen auch schriftliche mit ein. Allerdings wird im modernen Sprachenunterricht der mündlichen Kommunikation ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Abwegig ist die Forderung der CDU nach einer stärkeren Förderung der alten Sprachen Latein und Griechisch im Sinne von notwendiger Demokratieerziehung. Eine solche Erziehung im Sinne einer politischen Bildung ist sicher notwendig, aber unabhängig von den alten Sprachen zu sehen.
Völlig verkannt wird, dass die Hauptlast der inklusiven Beschulung auf den Gemeinschaftsschulen liegt und nicht auf dem Gymnasium. Insofern kann von einer Benachteiligung des Gymnasiums bei der Zuweisung der Förderschullehrkräfte nicht die Rede sein. Die Fakten sprechen hier eine andere Sprache.
Auch die Favorisierung der Freiwilligen Ganztagsschule (FGTS) gegenüber der Gebundenen Ganztagsschule (GGTS) verkennt die Realität, dass dort, wo eine Gebundene Ganztagschule angeboten wird, in der Regel die Anmeldezahlen höher sind als das Platzangebot der Schule. Allerdings gibt es zurzeit noch kein Gymnasium als Gebundene Ganztagsschule, wenngleich dies wünschenswert wäre – auch wenn die CDU dies anders sieht.
Der Forderung nach einer zweijährigen Referendarzeit ist mit großer Skepsis zu begegnen: Erstens ist festzustellen, dass fast alle Bundesländer achtzehn Monate haben und zweitens entsteht durch eine Verlängerung der Ausbildungszeit nicht automatisch ein Qualitätszuwachs – eher aber die Möglichkeit, Referendare länger eigenverantwortlich im Unterricht und damit als billige Lehrkräfte einzusetzen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.
Fazit: Die Reformvorschläge der CDU sind unausgegoren, kaum mit Fakten begründbar, sie entstammen letztendlich einer Ideologie des traditionellen alten Gymnasiums aus früherer Zeit. Der moderne gesellschaftliche Wandel und die Weiterentwicklung der Schulformen, insbesondere auch des Gymnasiums werden hier völlig verkannt.“