Bei einer gut besuchten Diskussionsrunde der CDU-Landtagsfraktion in der IHK des Saarlandes wurde am Donnerstagabend intensiv um den richtigen Weg aus der Strukturkrise gerungen. Unter der Moderation von Ute Mücklich-Heinrich, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, diskutierten BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner, CDU-Fraktionschef Stephan Toscani, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé und Daniel Hager, Aufsichtsratsvorsitzender der Hager SE. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich auch der ehemalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Albert Hettrich, sowie der Vorsitzende der saarländischen Familienunternehmer, Wolfgang Herges.
Das Saarland steckt in einer tiefgreifenden Strukturkrise – darüber herrschte Einigkeit bei den Diskutanten. CDU-Fraktionschef Stephan Toscani kritisierte dabei scharf den Kurs der SPD-Landesregierung: „Wir haben gestern in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin sinngemäß erlebt: Strukturwandel war bei uns immer. Da gibt es mal schlechte Nachrichten, da gibt es mal gute. Irgendwie geht es immer weiter.“ Das reiche aber nicht mehr aus.
Daniel Hager, Aufsichtsratsvorsitzender der Hager SE, übte scharfe Kritik an der milliardenschweren Förderung der Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff: „Es gibt keine Anlage in Deutschland, die so funktioniert, wie es gemacht werden soll. Der Stahl wird viermal teurer sein.“ Das seien Kosten, die die Gesellschaft zu tragen habe. Hager verwies auf die jahrzehntelange Subventionierung der saarländischen Stahlindustrie: „Ich weiß nicht, wie viele Milliarden wir da auf den Kopf gehauen haben. Was hätte man mit diesem Geld in Infrastruktur, Schulen und Gewerbegebiete investieren können?“
CDU-Fraktionschef Stephan Toscani hielt dagegen: „Es ist unser politischer Wille, dass wir den Stahl als Schlüsselindustrie hier im Saarland halten.“ BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner ergänzte: „Wir sind zum ersten Mal dabei, eine Transformation nach Kalender zu machen.“ Dies erfordere möglicherweise andere Instrumente als die reine Marktsteuerung. Sie warnte vor einer vorschnellen Aufgabe der Stahlindustrie.
Toscani bemängelte zudem das neue saarländische Klimaschutzgesetz: „Ich halte es für einen Unfug, dass jetzt im kleinen Saarland die Landesregierung eigene saarländische Klimaschutzziele durchdrückt. Wir haben europäische, wir haben nationale. Und nun werden eigene, nochmal über die bundesdeutschen und europäischen hinausgehende Berichtspflichten etabliert.“
Gleichzeitig räumte Gönner ein, dass die Frage der Wettbewerbsfähigkeit geklärt werden müsse: „Zum Schluss muss es etwas sein, was weltweit irgendwann im Wettbewerb bestehen wird.“ Als möglichen Weg nannte sie „grüne Leitmärkte“ und die öffentliche Beschaffung als Hebel.
Die grundsätzlichen Probleme des Standorts traten bei der Diskussion ebenfalls klar zutage. „Wir produzieren 2024 inflationsbereinigt weniger als vor 20 Jahren“, bilanzierte Toscani die Entwicklung. Ein Kernproblem sei die geringe Zahl von Firmenzentralen. „Tendenziell wird in Konzernzentralen außerhalb des Landes über unsere Zukunft entschieden.“
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé plädierte für einen Fokus auf den Mittelstand: „Wir brauchen nicht noch einen asiatischen Automobilhersteller, der das Saarland als Montageplatz mit geringer Wertschöpfung nutzt.“ Stattdessen müsse man auf Unternehmen setzen, „die nicht ihre Betriebe unter den Arm klemmen und weglaufen können.“
Als weiteres Hemmnis identifizierten die Experten die ausufernde Bürokratie. Hager kritisierte: „Die Regelungswut aus Brüssel und Berlin führt dazu, dass einem die Luft zum Atmen genommen wird.“ Thomé berichtete von gescheiterten Entbürokratisierungsversuchen: „Wir machen Umfragen, kommen mit 150 Vorschlägen. Dann geben wir das in die Ressort-Kommentierung und bekommen wieder gesagt, warum man das alles braucht.“
Ein weiteres zentrales Thema der Diskussion waren die hohen Energiekosten und die Steuerlast. „Günstige Energie ist eines der Grundthemen, die wir als Industriestandort in Deutschland brauchen. Wenn wir das Thema nicht angehen, können wir für viele Bereiche einfach sagen, das lohnt sich nicht mehr“, warnte Hager. Die hohe Steuerlast sei ein klarer Standortnachteil im internationalen Wettbewerb, so Dr. Thomé: „Ich verstehe nicht, warum wir den Unternehmen durch diese überbordenden Steuern und Abgaben das Geld erstmal entziehen, bevor sich der Staat in der Umverteilung dann hinstellt mit Rettercape und sagt, jawohl, jetzt sind wir für euch da“.
Verschärft wird die Situation durch den demografischen Wandel, von dem das Saarland bundesweit am stärksten betroffen ist. „Wir verlieren viele Fachkräfte aus Frankreich, weil die jüngere Generation kein Deutsch mehr spricht“, warnte ein Diskussionsteilnehmer. Die Experten waren sich einig, dass verstärkte Investitionen in Bildung, besonders im MINT-Bereich, sowie eine Aufwertung der dualen Ausbildung notwendig sind.
„Wir brauchen einen Grundkonsens über Parteigrenzen hinweg“, fasste Hager zusammen. Das Saarland müsse sich ehrlich machen: „Wir können nicht alles haben – günstige Energie, alles soll grün sein, alles soll sozial sein. Das funktioniert nicht.“