Steigende Mieten trotz Corona: „Halbes Einkommen für ein WG-Zimmer“
Angesichts weiter steigender Mieten in Deutschland warnt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vor den Folgen der Wohnungsnot für Berufsanfänger. Es müssten dringend mehr Anstrengungen unternommen werden, auch für Auszubildende bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so Gewerkschaftsvorsitzender Robert Feiger. „In vier von fünf Städten sind die Mieten im vergangenen Jahr trotz Corona weiter gestiegen. Für Azubis ist die Mietbelastung vielerorts nicht mehr zu stemmen. Wenn Berufsstarter selbst in Städten wie Konstanz oder Ingolstadt die Hälfte ihres Einkommens für ein WG-Zimmer ausgeben müssen, dann läuft etwas schief“, sagt Feiger. Einer wachsenden Zahl von Auszubildenden bleibe häufig keine andere Alternative als das „Hotel Mama“. Die Misere am Wohnungsmarkt schränke Berufsstarter damit nicht nur in ihrer Selbstständigkeit ein, sondern führe gerade in den Ballungszentren zu einem verschärften Fachkräftemangel.
Abhilfe könne ein von Bund und Ländern getragenes Programm zum „Azubi-Wohnen“ schaffen, schlägt die IG BAU vor. „Während die Studentenwerke durch ihr Angebot zumindest einen Teil der Wohnungsnot für Studierende lindern, gibt es kaum geförderte Wohnungen für Azubis.“ Jenseits örtlicher Initiativen von Handwerks- oder Handelskammern fehlten koordinierte Anstrengungen der Politik. Ein 2015 von der damaligen Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) initiiertes Modellprojekt zur Schaffung sogenannter „Vario-Wohnungen“ für Auszubildende und Studierende sei mit 37 Millionen Euro Fördergeld lediglich „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Auch im jüngsten DGB-Ausbildungsreport sei bei Befragungen von Azubis deutlich geworden, dass bei der Wohnungssuche vieles im Argen liege.
Feiger schlägt vor, das Azubi-Wohnen in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu integrieren und zu verstetigen. Allerdings müssten die dafür vorgesehen Kompensationszahlungen des Bundes an die Länder von derzeit einer Milliarde Euro pro Jahr massiv aufgestockt werden. Nach Einschätzung der IG BAU sind insgesamt Investitionen von jährlich sechs Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau nötig, um den Schwund an Sozialwohnungen zu stoppen. In Zeiten niedriger Zinsen sollten Bund und Länder das Problem rasch angehen.
Die Corona-Pandemie verschärfe die Lage vieler Azubis zusätzlich, unterstreicht Feiger: „Wenn Firmen in der Krise Ausbildungsverträge kündigen, dann kommen Berufsanfänger schnell in große finanzielle Probleme und können sich die Miete nicht mehr leisten. Und anders als Studierenden ist es ihnen nur selten möglich, von der Ferne aus zu lernen. In der dualen Ausbildung ist die Praxis im Betrieb unverzichtbar.“
Nach Angaben des Portals „WG-Gesucht“ wurden für WG-Zimmer in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Frankfurt zuletzt im Schnitt zwischen 470 und 530 Euro pro Monat abgerufen. Auch in Universitätsstädten wie Freiburg oder Bonn sind demnach deutlich mehr als 400 Euro für ein Zimmer fällig. Spitzenreiter München kommt auf 650 Euro. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Azubi-Vergütung beläuft sich nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung auf derzeit 939 Euro im Monat. Laut „Immowelt“ sind die Mieten im vergangenen Jahr trotz Pandemie in 67 von 80 untersuchten Städten teils stark gestiegen.