Lebensdauer von Elektrogeräten, Fahrgastrechte von Bahnreisenden oder Veröffentlichung bei Verstößen gegen Lebensmittelrecht – Große Bandbreite bei der Konferenz der Verbraucherschutzminister in Saarbrücken
Viele Verbraucher haben den Eindruck, dass die Lebensdauer neuer Produkte immer kürzer wird und kaum über den Garantiezeitraum hinausgeht. Als Obsoleszenz wird in diesem Zusammenhang die Abnutzung oder Überalterung von Produkten, zumeist Elektrogeräten, bezeichnet.
Das saarländische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat bereits im letzten Jahr eine Umfrage durch die Verbraucherzentrale durchführen lassen. Die geringe Lebensdauer von Elektrogeräten sorgt demnach bei vielen Verbrauchern für Verärgerung – zu Recht, meint Verbraucherschutzminister Reinhold Jost. Die Erfahrung zeige, dass es oft schwierig ist, das Gewährleistungsrecht einzufordern, denn nach Ablauf der nur sechsmonatigen Beweislastumkehr müssen Verbraucher dem Hersteller nachweisen, dass der Produktmangel nicht bereits zum Zeitpunkt des Kaufs bestand – ohne Einblick in den Produktionsprozess ist dies fast unmöglich.
Dieses Problem zu lösen, ist ein Anliegen des saarländischen Antrages auf der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK), die vom 13. bis 15. Juni in Saarbrücken stattfindet. Jost: „Wir fordern insbesondere die Einführung einer Informationspflicht über die Mindestlebensdauer von Verbrauchsgütern und die Deklaration von Verschleißteilen, die Verlängerung der zu Gunsten von Verbrauchern geltenden sechsmonatigen Beweislastumkehr auf zwei Jahre, die Verlängerung der Gewährleistungsfrist für langlebige Produkte auf fünf Jahre sowie den Neubeginn der Verjährung der Mängelansprüche des Verbrauchers nach Ersatzlieferung und Reparatur.“ Die kurze Lebensdauer vieler Elektrogeräte gehe nicht nur richtig ins Geld, so der Minister und Vorsitzende der Verbraucherschutzministerkonferenz, „auch die Müllberge, die daraus entstehen, und der Ressourcenverbrauch für Neuanschaffungen sind eine enorme Belastung für die Umwelt“.
Ein weiterer Antrag, den das Saarland kommende Woche einbringen wird, betrifft Maßnahmen, um Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel zu schützen. Kinder und Jugendliche sind eine lukrative Zielgruppe der Lebensmittelindustrie. Das belegen die hohen Summen, die die Wirtschaft jährlich in an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel investiert.
Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel zur Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen beiträgt. Jost: „Dabei sind Kinder für Marketing besonders empfänglich und leicht beeinflussbar. Ihnen fehlt die Fähigkeit zu kritischer Distanz. Wir müssen gerade vor dem Hintergrund der hohen Zahl übergewichtiger Kinder in Deutschland mehr tun, um den Nachwuchs vor entsprechender Werbung zu schützen.“ Die Einflussnahme sei so massiv, dass hier Handlungsbedarf bestehe.
„Mit unserem Antrag bitten wir den Bund zu prüfen, welche rechtlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden können. Wo Selbstregulierung nicht funktioniert, steht der Gesetzgeber in der Pflicht, wirksame Maßnahmen zum Schutz der kindlichen Gesundheit zu ergreifen. Eine Möglichkeit ist ein gesetzliches Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel“, so Jost.
Als Kriterium zur Bestimmung des „ungesunden“ Lebensmittels könnte – entsprechend den Empfehlungen der WHO zu „free sugars“ – ein Gehalt von mehr als 15 Prozent an freien Zuckern im betreffenden Produkt festgelegt werden.
Das Saarland hat auch einen Tagesordnungspunkt eingebracht, der sich mit den Fahrgastrechten von Bahnreisenden befasst.
Hintergrund ist die seit 2009 geltende EU-Fahrgastrechte-Verordnung. Hier gelten für Fahrgäste im europäischen Schienenverkehr – anders als im europäischen Flugverkehr – nicht überall die gleichen Rechte, da viele Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Herbst 2017 einen Vorschlag für die Überarbeitung der VO vorgelegt. Der Vorschlag sieht wichtige Maßnahmen vor, zum Beispiel Verbesserungen für Reisende mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität und einen Abbau der nationalen Ausnahmeregelungen.
„An zwei Punkten sehen wir aus verbraucherpolitischer Sicht allerdings Nachsteuerungsbedarf“, so Jost, „das betrifft erstens die so genannten Durchgangsfahrten. Das sind Fahrten, bei denen der Reisende mehrere Eisenbahnunternehmen nutzen muss, weil diese jeweils nur Teilstrecken der gesamten Fahrt bedienen.
Oft müssen die Reisenden jeweils einzelne Fahrkarten für Teilabschnitte erwerben, was Nachteile mit sich bringt: Rabattkarten, wie z.B. die BahnCard gelten dann nur eingeschränkt und auch bei Verspätungen einzelner Verbindungen hat der Fahrgast häufig das Nachsehen. Ein einfacher, direkter Zugang zu Fahrkarten aus einer Hand für die gesamte Reisestrecke ist daher besonders wichtig. Deshalb wollen wir die Eisenbahn-Verkehrsunternehmen in Deutschland und in der EU auffordern, enger zusammenzuarbeiten, damit die Reisenden für so viele Verbindungen wie möglich eine Durchgangsfahrkarte erhalten.“
Der zweite Punkt betrifft die Haftungsbefreiung für die Eisenbahnunternehmen in Fällen höherer Gewalt. „Die Regelung lässt einen zu großen Interpretationsspielraum zu“, kritisiert Minister Jost. „Die Berufung auf höhere Gewalt darf nicht als Entschuldigung für mangelhafte Pflege von Fahrzeugen und Infrastruktur dienen.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich an dieser Stelle für eine rechtssichere Formulierung einzusetzen. Höhere Gewalt in diesem Sinne darf nur Situationen erfassen, die außerhalb des Einflussbereichs der Eisenbahn-Verkehrsunternehmen liegen, z.B. extreme Witterungsbedingungen oder große Naturkatastrophen.“
Ein wichtiges Thema, das bei der VSMK auch im Rahmen des Kamingesprächs diskutiert wird, ist die Frage der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung bei Verstößen.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai entschieden, dass die Regelungen des § 40 Abs. 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetz (LFGB) überwiegend verfassungskonform sind.
Nach dieser gesetzlichen Regelung informiert die zuständige Behörde unter bestimmten Voraussetzungen die Öffentlichkeit unter Nennung des betroffenen Unternehmens über schwerwiegende Hygiene- oder Produktmängel. Da die gesetzliche Regelung an einigen Stellen unklar formuliert ist, haben in der Vergangenheit viele Verwaltungsgerichte verfassungsrechtliche Bedenken erhoben und die Veröffentlichungen verboten. Die Vollzugsbehörden der Länder haben daher und im Hinblick auf eine zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sukzessive die Anwendung der Vorschrift ausgesetzt, das saarländische Landesamt für Verbraucherschutz als letzte Landesbehörde im Dezember 2016.
Nach dem jetzigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist die Veröffentlichung dieser Verstöße verfassungsgemäß, der Gesetzgeber muss aber bis spätestens 30.04.2019 eine Regelung zur Dauer der Veröffentlichung treffen.
Jost: „Wir begrüßen diese Entscheidung, die unserem Wunsch nach Transparenz im Sinne des Verbraucherschutzes entgegenkommt. Ich habe inzwischen unser Landesamt angewiesen, wieder auf Grundlage des § 40 zu veröffentlichen.“
Die VSMK will nun den Bund bitten, kurzfristig hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen und dabei auch andere unklare Formulierungen zu präzisieren.
Auf Wunsch von Hessen werden die Verbraucherschutzminister der Länder auch ein Verbot von Einwegbechern (z.B. Coffee to go) diskutieren. Der Verbrauch von Coffee-to-go-Bechern ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe werden bundesweit derzeit insgesamt ca. 2,8 Milliarden Becher pro Jahr verbraucht, das sind 320.000 Stück pro Stunde. Allein durch diese Einwegbecher entstehen in jedem Jahr in Deutschland ca. 40.000 Tonnen Müll. Hinzu kommt, dass für die Herstellung dieser Becher 29.000 Tonnen Papier benötigt werden, was 64.000 Tonnen Holz entspricht.
Jost: „Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass eine Reduzierung der Verwendung von Einwegbechern sowohl aus Aspekten der Ressourcenschonung als auch der Abfallvermeidung dringend geboten ist. Dabei stellt sich die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden kann.“
Das saarländische Umwelt- und Verbraucherschutzministerium setzt dabei zunächst auf Freiwilligkeit. Im Rahmen der Aktion Sauberes Saarland wird die saarlandweite Kampagne „Becherheld – Mehrweg to go schützt die Umwelt und den Geldbeutel der Mitmacher“ durchgeführt. Die Kampagne wurde in Kooperation mit der Deutsche Umwelthilfe ins Leben gerufen.
Was die Verbraucher dafür tun müssen? Sie bringen den eigenen Mehrwegbecher bei der nächsten Coffee to go-Bestellung einfach mit und lassen diesen in einer der inzwischen rund 150 teilnehmenden Betriebe und Becherheld-Tankstellen wieder auffüllen. Das schont die Umwelt und den Geldbeutel, denn mit dem eigenen Mehrwegbecher wird ein Rabatt von 10 Cent pro Heißgetränk gewährt.
Becherheld-Tankstellen sind über das gesamte Saarland verteilt. Sie haben sich aktiv im Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gemeldet, um als Becherheld-Tankstelle auf den Internetseiten www.becherheld.saarland.deausgewiesen zu werden.