Wie der Neubau der Brauerei Becker bei einer zufälligen Begegnung konzipiert wurde
Ein Beitrag aus dem aktuellen saarnews-Magazin für St. Ingbert
Am 9. September 2019 erinnerte das Saarland beim Tag des offenen Denkmals mit der Vorstellung einiger Gebäude an die Baugeschichte dieses Landes, das trotz seiner industriellen Prägung zahlreiche architektonische Schmuckstücke aufzuweisen hat.
Vorgestellt wurden dabei vor allem Bauten aus der sogenannten „Bauhaus-Epoche“, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts den Baustil geprägt hat.
Die Stadt St. Ingbert war an diesem Tag des offenen Denkmals mit dem Turm der ehemaligen Brauerei Becker vertreten, der nicht nur im Saarland sondern in ganz Deutschland als Baudenkmal anerkannt ist. Doch abgesehen von seinen architektonischen Qualitäten, weist das markante Sudhaus auch eine herausragende technologische Bedeutung auf, die für das Bierbrauen einmal so richtungsweisend war wie die Einführung des Fließbandes durch den amerikanischen Automobilproduzenten Henry Ford.
Wie St. Ingbert zur Bierstadt wurde
Als die drei Brüder Friedrich, Georg und Karl Becker 1877 in St. Ingbert die kleine Brauerei Gross erwarben, die in dem heute noch bestehenden Anwesen auf dem „Höfchen“ gerade einmal 800 Hektoliter Bier im Jahr braute, war das Bierbrauen noch ein Handwerk, das damals in St. Ingbert in mehreren Mini-Brauereien ausgeübt wurde.
Innerhalb weniger Jahre modernisierten die Gebrüder Becker den Brauprozess und erhöhten damit den Ausstoß bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf 50.000 Hektoliter pro Jahr. Das war aber nur möglich, weil die erfolgreichen Gebrüder Becker bereits 1897/98 auf dem „Hobels“ eine neue Brauerei errichtet hatten, um die ständig steigende Nachfrage nach dem „süffigen“ St. Ingberter Becker-Bier befriedigen zu können.
Doch auch diese neue Brauerei war auf Dauer dem Bierdurst der einheimischen Bevölkerung nicht gewachsen.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde deshalb in der Familie Becker über eine Vergrößerung der Brauerei nachdedacht. Federführung war diesmal die zweite Generation der Familie.
Dass dann 1925 mit dem Bau der neuen Brauerei Becker begonnen werden konnte, war vor allem einer zufälligen Begegnung zwischen Brauereibesitzer Reinhold Becker und dem Stuttgarter Architekten Hans Herkommer zu verdanken, die sich im Kurpark von Bad Nauheim zufällig begegnet waren. Bei einem Gespräch auf einer Parkbank erzählte Reinhold Becker dem Architekten von den Plänen seiner Familie eine neue Brauerei zu bauen.
Reinhold Becker schwebte dabei eine völlig neue Technik des Bierbrauens vor für die der Architekt Herkommer, quasi aus dem Hemdsärmel heraus, eine entsprechende architektonische Umsetzung fand.
Dabei hat er mit seinem Spazierstock sogar schon die Umrisse des zukünftigen Beckerturms auf den Spazierweg skizziert.
Hans Herkommer, der bis dahin vor allem den Neubau von Kirchen entworfen hatte und der St. Ingberter Brauereibesitzer Reinhold Becker stellten auf Anhieb fest, dass sie bei der Konzipierung der neuen Brauerei Becker auf einer Wellenlänge lagen.
Der Stuttgarter Architekt bekam den Auftrag die neue Brauerei zu planen und diese Pläne in den Jahren 1925-1927 umzusetzen.
Für Hans Herkommer, der bis dahin vor allem Kirchen geplant hatte, war der Neubau seiner ersten Brauerei eine Aufgabe, die er mit besonderem Einsatz erfüllte. Dabei entstand eine richtungsweisende Brauerei, deren brautechnisches Konzept über Jahrzehnte anderen Brauereien als Vorbild diente.