An der Bachschule in Neunkirchen wurde ein Projekt zum Erlernen von Grundregeln des fairen Streitens durchgeführt mit dem Ziel, Konflikte ohne Gewalt zu lösen und zur Stärkung des demokratischen Miteinanders.
Streit gibt es überall. Auf dem Schulhof sowieso. Aber was ist fair? Und wie findet man eine gemeinsame Basis um mit Auseinandersetzungen konstruktiv umzugehen? Im Fair-Streit-Projekt, das im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“ des Landkreises Neunkirchen im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wurde, erarbeiteten die Kinder der zweiten und dritten Klassen der Bachschule in Neunkirchen zusammen mit ihren Klassenlehrerinnen und der Trainerin Angelika Beyer Grundregeln für eine faire Streitkultur. Die Schüler und Schülerinnen lernten dabei, dass Streiten notwendig ist, aber ohne körperliche und verbale Gewalt ablaufen kann und soll, damit beide Parteien gut damit leben können. Sie trainierten, beim Streiten Blickkontakt zu halten, sich mit einem „STOPP“ oder „NEIN“ einerseits ihrer eigenen Grenzen bewusst und andererseits für die Grenzen der anderen sensibilisiert zu werden und sich die Hand zu reichen. An einer Schule mit über vierzig Nationalitäten sind dies wesentliche Basiselemente zur kulturübergreifenden fairen Konfliktlösung.
Konkret erfuhren die Kinder, Dinge und Erscheinungen differenziert wahrzunehmen und dabei alle Sinne einzusetzen, zum Beispiel als einer der Stärkeren selbst an die Wand gedrückt zu werden und laut „STOPP“ zu rufen beim Eskalieren der Situation. Durch das Aufzeigen unterschiedlicher Lösungsansätze für selbst erlebte Auseinandersetzungen wurden Möglichkeiten des „Streit Führens“ trainiert, indem die Schüler die Situationen nachspielten. Beim Fußball auf dem Schulhof hatte ein Spieler einem anderen ein Bein gestellt und war nach dessen Sturz weggelaufen. Der Gestürzte war darüber so erzürnt, dass er dem Verursacher später auflauerte, um sich zu rächen als er ihn alleine vor sich hatte. Kein seltener Verlauf eines Streites. Im Rollenspiel mussten die Kinder die Situation erst real und dann nach neuem Drehbuch nachspielen, wobei der Beinsteller dem Gefoulten die Hand reichte um ihm wieder hoch zu helfen und sich entschuldigte. Danach konnte das Fußballspiel normal weitergehen. Wichtig war dabei, den Schülern Alternativen anzubieten, in denen beide Parteien emotional großzügig agieren konnten – einer entschuldigt sich, der andere verzeiht – die sie für ihre nächsten Auseinandersetzungen einstudieren und trainieren konnten.
Angelika Beyer führt das „Fair-Streit-Training“ seit über 3 Jahren mit unterschiedlichen Gruppen durch und bietet auch Workshops für Familien an. Sie hat die Kinder im Klassenverband und auf dem Schulhof beobachtet um bewusst Alternativen für ihre Streitigkeiten zu finden und umzusetzen. Durch ihr gezieltes Streittraining werden den Kindern auf spielerische Weise die Grundregeln des fairen Streitens beigebracht und „STOPP“ oder „NEIN“ zu sagen ohne den anderen als Verlierer zu sehen oder sich selbst so zu fühlen. Nach einem kassierten Tor kann man den Torwart schubsen und anschreien „Den hättest du halten können!“ oder ihm die Hand entgegenstrecken, ihm aufhelfen mit der jovialen Aufmunterung „Nicht so tragisch, Alter, wir kriegen noch mehr Torchancen.“ Durch den direkten Handlungsvergleich erhalten die Kinder den Beweis, dass sich das gut anfühlen kann. Sie lernen, dass trotz des bestehenden Konflikts die Gefühle des Gegenübers beachtet werden und sie rücksichtsvoll miteinander umgehen können.
Für viele Kinder ist Gewalt – auch in der Familie – Alltag. Das Vorleben der Erwachsenen nach dem Prinzip des Stärkeren, Sprachprobleme und kulturelle Hürden kommen erschwerend hinzu. Das Antrainieren einer fairen Streitkultur kann einer möglichen Verrohung frühzeitig entgegenwirken und die Basis schaffen für ein demokratisches Miteinander.
Text und Bilder: Katja Janoschek