Saarbrücken. Die neue Gemeinschaftsschulverordnung (GemSVO) des saarländischen Ministeriums für Bildung und Kultur wird von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Arbeitskammer des Saarlandes grundsätzlich positiv bewertet. Beide Institutionen sehen in der Verordnung wichtige Fortschritte für die Weiterentwicklung der saarländischen Gemeinschaftsschulen, betonen jedoch den Bedarf an weiterer Unterstützung bei der Umsetzung.
Flexible Stundentafel als zentrales Element
Ein zentraler Aspekt der neuen Verordnung ist die Einführung einer flexiblen Stundentafel. Sie ermöglicht es den Schulen, Unterrichtsinhalte stärker auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abzustimmen. Hauptfächer können in der Orientierungsphase priorisiert, Informatik erst ab Klasse 8 eingeführt und Fächerblöcke bedarfsorientiert verschoben werden. „Diese Flexibilität eröffnet wertvolle Möglichkeiten, gezielt auf die individuellen Stärken und Bedarfe der Jugendlichen einzugehen“, so Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes.
Die GEW begrüßt die Änderungen ebenfalls, mahnt jedoch, dass Lehrkräfte bei der Umsetzung zeitnah und qualitativ hochwertig unterstützt werden müssen. Dies sei besonders wichtig, um die neuen Gestaltungsspielräume effektiv zu nutzen.
Berufliche Orientierung und gestreckte Prüfungsverfahren
Die Stärkung der beruflichen Orientierung wird von beiden Institutionen als entscheidender Fortschritt hervorgehoben. Die Verordnung sieht eine verpflichtende Potenzialanalyse in Klasse 7 sowie halbjährliche Standortgespräche vor. Dies soll den Übergang ins Berufsleben systematischer gestalten und den Schülerinnen und Schülern frühzeitig Perspektiven eröffnen. Otto betont die Bedeutung externer Partner: „Sie entlasten nicht nur die Lehrkräfte, sondern steigern die Qualität durch ihre spezifische Expertise.“
Auch die Einführung gestreckter Prüfungsverfahren für den Hauptschulabschluss (ESA) und den Mittleren Schulabschluss (MSA) wird positiv aufgenommen. Sie sollen Prüfungsstress mindern und differenzierte Bewertungen ermöglichen. „Das fördert realistischere Einschätzungen und bessere Lernergebnisse“, erklärt Otto.
Fremdsprachen und neue Schwerpunkte
Im Bereich der Fremdsprachen wurden ebenfalls Neuerungen eingeführt. Der bisher unbeliebte Sprachkurs wird durch einen „sprachbildenden Unterricht“ ersetzt, der Englisch und/oder Französisch beinhaltet und als nicht-schriftliches Fach benotet wird. Die Möglichkeit, stattdessen Deutschförderung zu wählen, wird als wichtiger Schritt zur Unterstützung nichtdeutscher Muttersprachler:innen gewertet.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Einführung einer zusätzlichen Stunde für Gesellschaftswissenschaften in den Jahrgangsstufen 9/10. Themen wie Demokratiebildung, Wirtschaft und Finanzen sollen dadurch stärker in den Lehrplänen verankert werden.
Forderungen nach ausreichender Unterstützung
Sowohl die GEW als auch die Arbeitskammer betonen, dass die erfolgreiche Umsetzung der Verordnung von einer angemessenen Ressourcenausstattung abhängt. Die GEW fordert zusätzliche Planstellen, mehr Sprachförderlehrkräfte, ein Schulassistentensystem und kleinere Klassen, um die Gelingensbedingungen zu schaffen. Die Arbeitskammer verweist zudem auf die Notwendigkeit eines reibungslosen Übergangsverfahrens bei Schulwechseln.
„Die Gemeinschaftsschulen wurden jetzt auf eine gute rechtliche Grundlage gestellt“, fasst GEW-Landesvorsitzender Max Hewer zusammen. „Nun müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die geplanten Maßnahmen nachhaltig umzusetzen.“
Die Verordnung bietet laut beiden Institutionen eine solide Basis für die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschulen. Damit diese jedoch ihr volles Potenzial entfalten können, sei eine entschlossene und gezielte Unterstützung notwendig.