Saarbrücken. Klaus Schummer, Landesvorsitzender der Piraten im Saarland, kritisiert die aktuell geplante Einsatz-Ausgestaltung der „flächendeckenden“ Ausstattung der Polizei mit 72 „Bodycams“ (bei ca. 2.500 saarländischen Polizeikräften) und bringt aber neue Aspekte zur Sprache:
„Schon der Verwendungszweck ist kritisch zu sehen, denn laut Innenminister Bouillon sollen die Körperkameras lediglich dem Selbstschutz der Polizisten vor gegen sie gerichteten Übergriffen dienen und eine deeskalierende Wirkung erzeugen. Fraglich ist bereits, ob gewaltbereite und ggf. unter Drogen- oder Alkoholeinfluss enthemmte Personen sich von einer Kamera abschrecken lassen.
Was ebenfalls völlig außer Acht gelassen wird ist, dass es auch – seltene, jedoch teils drastische – Fälle gibt, in denen Gewalt von der Polizei ausgeht. So etwa der ungeklärte Tod Oury Jallohs in Polizeigewahrsam, in dessen Fall später Beweismittel manipuliert und Zeugen beeinflusst wurden.
In Fällen von Polizeigewalt müssen die Videoaufnahmen auch von den betroffenen Bürgern genutzt werden können. Dem Aufklärungszweck steht zudem das derzeitige Vorgehen bei der Auswertung der Videoaufnahmen entgegen. Diese werden vom Kameraführer selbst und dessen Dienstvorgesetztem im Vier-Augen-Prinzip und nicht von einer unabhängigen Auswertungsstelle überprüft, bewertet und später aufbewahrt. Um alleine dem bösen Schein einer möglichen Manipulation entgegenzuwirken, sind für die Bild- und Tonauswertung sachverständige Dritte außerhalb der Dienststelle einzusetzen.
Ebenfalls als kritisch anzusehen ist, dass die Truppstärke durch den Kameraeinsatz nach aktuellen Vorhaben regelmäßig um eine Person erhöht werden muss, weil die kameraführende Polizeikraft zur Sicherung der Verwertbarkeit der Aufnahmen nicht ins Geschehen selbst eingreifen kann und gleichzeitig die Zahl der zum Bodycam-Einsatz geschulten Polizisten begrenzt ist. Dies führte bei entsprechenden Einsätzen zwangsläufig zu einem ständigen Rückgriff auf diesen Polizisten, was deren Arbeitsbe- und auslastung erhöht und insbesondere im Hinblick auf die eh schon angespannte Überstundensituation problematisch ist.
Auch um dieser drohenden Belastung entgegenzuwirken, könnte der Einsatz zukünftig ausgeweitet werden, sodass alle Polizisten in naher Zukunft mit „Bodycams“ in allen Einsatzszenarien ausgestattet werden. Dadurch wird die flächendeckende und allgegenwärtige staatliche Überwachung unter Einsatz technischer Mittel weiter ausgedehnt.In jedem Fall stellen Polizei-Körperkameras natürlich eine Ausweitung der um sich greifenden Kameraüberwachung und Datenerfassung dar, die wir sehr kritisch sehen. So führen die festgesetzten Speicher- und Löschfristen sowie die neben der Bildaufzeichnung durchgeführten Tonaufnahmen zu bislang ungeklärten datenschutzrechtlichen Problemen. Es fehlt auch an der Regelung, dass vor einem Einsatz in grundrechtlich besonders geschützten Wohnräumen die Bewohner um Erlaubnis gefragt werden, ob sie dort filmen dürfen; es sei denn natürlich, dass Gefahr im Verzug ist. In den USA hat die „American Civil Liberties Union (ACLU)“ sich intensiv und abwägend mit diesem Thema auseinandergesetzt und beide Seiten der Thematik aufgezeigt. [1]“
[1] American Civil Liberties Union (ACLU): https://www.aclu.org/other/police-body-mounted-cameras-right-policies-place-win-all – siehe als Muster-Vorschriften auch: https://www.aclu.org/other/model-act-regulating-use-wearable-body-cameras-law-enforcement