In Thüringen wurde ein erfahrener und über die Parteigrenzen hinweg von 60 % der Bevölkerung als seriös geachteter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) durch das Parlament nicht wiedergewählt. Er war der Kandidat der größten Landtagsfraktion.
Stattdessen ließ sich der Kandidat der kleinsten im Landtag vertretenen Partei wählen, der mit Ach und Krach (73 Stimmen) noch ins Parlament gelangten FDP. Ein ohnehin für keinerlei Orientierung mehr stehender CDU-Chef Mike Mohring und der neue Herr Ministerpräsident Thomas Kemmerich und seine Fraktion ließen sich durch die politischen Hütchenspieler der AfD zu einem vermeintlichen politischen Lotteriegewinn verleiten: Drei Hütchen standen auf dem Tisch, jeweils angeblich mit einem Kandidaten drunter, aber der Kandidat der AfD war gar keiner: er bekam sogar von den eigenen Leuten null Stimmen.
Die Abscheu gegen Rot-Rot-Grün des „demokratischen Zentrums“, das Christian Lindner in einem ersten Statement erfand, rückte FDP und CDU in politische Tuchfühlung mit der Fliegenschiss-Partei von Gauland und Höcke. Die AfD in Thüringen ist nationalistisch, rassistisch und Höcke darf gerichtsnotorisch auch als faschistisch bezeichnet werden. Wer die liberale Demokratie ablehnt, demokratische Institutionen schwächen und in Deutschland gegen die Verfassung ein autoritäres Regime installieren will, der muss die AfD wählen.
Diese radikalisierte „Flügel“-AfD, die längst die Mitte der Partei bildet, repräsentiert bei uns im Saarland Josef Dörr. Der Landeschef machte deutlich, was er von Kemmerich erwartet: Kemmerich habe gewusst, dass er nur mit den Stimmen der AfD Ministerpräsident habe werden können. Jetzt müsse er auch konsequent sein und den „Willen der Bevölkerung“ respektieren. Uff! Da ist sie wieder, die Formel vom Volk, das die Völkischen für sich gepachtet haben. Was das Volk will, weiß niemand besser als Dörr. Es hat die FDP mit landesweit 59.000 Stimmen als kleinste Partei beauftragt, den Ministerpräsidenten zu stellen. Toll!
Doch zurück zur FDP. Lindner gab sich etwas zerknirscht und lavierte. Kemmerich dagegen machte deutlich, während des gesamten Verfahrens mit ihm in Kontakt gestanden zu haben und FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte der dpa: „Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich. Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt.“ Diesen Gewinn aus dem Hütchenspiel will Kubicki nun einstreichen. Er steht ja ohnehin der Glücksspielbranche sehr nahe. Ihm haben wir auch die Werbespots für Online-Glücksspiel zu verdanken, die angeblich nur für Zuschauer in Schleswig-Holstein bestimmt sind. Aber das ist eine andere Geschichte.
Fehlt noch einer? Ja, der saarländische FDP-Vorsitzende Oliver Luksic hält sich raus. Er meint nur, die Wahl von Kemmerich „war für alle eine Überraschung.“ Wie schön!