StartFeaturePolizistenmord bei Kusel: Polizei auf der Suche nach einem Motiv

Polizistenmord bei Kusel: Polizei auf der Suche nach einem Motiv

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Die brutale Ermordung zweier junger Polizeibeamter im Kreis Kusel am frühen Montagmorgen schockierte ganz Deutschland. Eine neue Zeitrechnung habe für die Polizeidirektion Westpfalz begonnen, sagte Polizeipräsident Michael Denne während der gestrigen Pressekonferenz in Kaiserslautern sichtlich bewegt. Doch, auch wenn der Tatort in Rheinland-Pfalz liegt, so ist es dennoch eine saarländische Geschichte, denn nach allem was man weiß, hatten alle Tatbeteiligten einen festen Bezugspunkt zu ihrer Heimat im jüngsten westlichen Bundesland.

Über die Opfer ist auch nach der Pressekonferenz, die am Nachmittag in Kaiserslauterner Justiz Forum von der Polizei Westpfalz und der örtlichen Staatsanwaltschaft abgehalten wurde, nachvollziehbarer Weise sehr wenig bekannt. Man möchte natürlich die Angehörigen schützen.

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v.l.n.r.: Oberstaatsanwalt Stephan Orthen, Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Udo Gehring, Polizeipräsident Michael Denne

Dennoch erfuhren wir einige Details: Die 24-jährige Polizeianwärterin Yasmin B. soll aus dem Saarpfalz-Kreis stammen, aber seit geraumer Zeit in Rheinland-Pfalz gewohnt haben. Etwas mehr konnte Heiner Schmolzi, Leiter der Abteilung Polizeieinsatz, über den 29-jährigen Kollegen Alexander K. sagen. Er war aktiver Fußballer beim FC Freisen, sehr beliebt in seinem Heimatort und bei seinen Kollegen von der Polizeiinspektion Kusel. Sein Polizeipräsident Michael Denne ließ spüren, wie stark ihn die schreckliche Tat mitgenommen hatte. Seit den 70er Jahren sei kein Polizist mehr in der Westpfalz in Ausübung seines Dienstes getötet worden.

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Die Straße zwischen Mayweilerhof und Ulmet. Hier ereignete sich die Tat.

Der Tathergang

Gegen 4:20 Uhr meldete die Zivilstreife mit den beiden späteren Opfern, dass sie zwischen Mayweilerhof und Ulmet ein Fahrzeug angetroffen hätten, in dessen Kofferraum sich eine Menge totes Wild befände. Wenig später folgte der letzte Funkspruch: „Die schießen!“. Vermutlich wurde die 24-Jährige Polizeianwärterin im Zusammenhang mit der Prüfung der Personalien durch einen Schuss mit einer Schrotflinte ins Gesicht getötet. Ihr Kollege wurde viermal getroffen, wahrscheinlich durch einen Einlader. Auch er erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen.

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Hier in der Sulzbacher Bahnhofstraße wurden die Tatverdächtigen gefasst.

Die Ermittlung und Festnahme der Tatverdächtigen

Nach der Erschießung der Opfer versäumten die Täter, den Personalausweis und den Führerschein, den Andreas S. offensichtlich ausgehändigt hatte, mitzunehmen. Sie flüchteten Hals über Kopf. Mit den vorliegenden Dokumenten besaßen die Beamten der Polizeidirektion Westpfalz einen eindeutigen Hinweis. Sie ermittelten, welche Fahrzeuge dem ehemaligen Bäcker zur Verfügung stehen könnten, wo er sich aufhalten könnte und fanden schließlich mit Hilfe der saarländischen Polizei einen Kastenwagen im Bereich der Sulzbacher Bahnhofstraße, der überdies Beschädigungen aufwies, die von Schüssen stammen konnten. Andreas S. wurde kurze Zeit später, gegen 17 Uhr, beim Verlassen der Wohnung festgenommen. Als das SEK dann die Räumlichkeiten stürmte, trafen sie auf den zweiten Tatverdächtigen, den 32-jährigen Sulzbacher Florian V., der an der entsprechenden Adresse gemeldet ist. Zusätzlich stießen die Polizisten auf eine große Menge Lang- und Kurzwaffen, sowie Munition.

Wie der Kaiserslauterer Oberstaatsanwalt Stefan Orthen heute mitteilte, hat sich Andreas S. bisher nicht zur Tat geäußert. Sein mutmaßlicher Mittäter gab an, nicht geschossen zu haben, gestand allerdings die Wilderei ein. Die Staatsanwaltschaft scheint diesen Ausführungen keinen Glauben zu schenken. Beide Waffen gleichzeitig zu laden und zu schießen, sei nicht machbar, weswegen man von zwei Schützen ausgeht.

Über Florian V. wurden keine weiteren Angaben gemacht. Es wurde lediglich bekannt, dass es Ermittlungen wegen Betruges gegen ihn gab. Gegen Andreas S. wird wegen Wilderei und Unfallflucht ermittelt. Verurteilt wurde beide bisher nicht.

Wer ist der Tatverdächtige Andreas S.?

Weit mehr Information liegt unserer Redaktion hingegen über einen der mutmaßlichen Täter, Andreas S., vor. Er hatte in den vergangenen Jahren mehrmals für lokale Aufmerksamkeit gesorgt, in positiver ebenso wie in negativer Hinsicht. Seinen beruflichen Werdegang haben wir selbst aufgezeichnet, denn Andreas S. zählte mit seinem Bäckereibetrieb und dem Wildhandel zur Kundschaft unserer Regionalausgabe „Sulzer“.

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Stammhaus in der Altenwalder Straße „Am Tannenburg“.

S. absolvierte seine Lehrzeit bei der Bäckerei Ziegler und ergänzte sie durch eine Lehre zum Konditor im Café Lolo, wo er – wie er damals sagte – unglaublich viel lernte. Um möglichst viele Erfahrungen sammeln und möglichst tief in das Metier einsteigen zu können, zog es ihn in den darauffolgenden Jahren von Nord- nach Süddeutschland und auch nach Frankreich. Seinen Meister machte er schließlich in der Meisterschule in Olpe. Danach kehrte er nach Altenwald zurück und trat in den elterlichen Betrieb ein, den er seit dem 1. Juli 2016 leitete.

Er krempelte den Betrieb um, ließ einen Holzofen bauen, in dem er das Brot backte und weitete das Geschäft deutlich aus. Zu dem Stammsitz des Unternehmens an der Tannenburg in Sulzbach-Altenwald gehörte schon lange Zeit eine Filiale im sogenannten „Tränenviertel“ in der Altenwalder Wiesenstraße. S. eröffnete drei weitere Verkaufsläden in Quierschied-Fischbach und Wiebelskirchen, einem Stadtteil von Neunkirchen.

Zusätzlich schaffte er zahlreiche Frühstücksmobile an. Dabei handelte es sich um Kleinbusse mit Regalen und Verkaufstheke, die morgens in Industriegebieten und Gewerbeparks unterwegs waren, um dort belegte Brötchen und Snacks an die Firmenbelegschaften zu verkaufen. Mit seinen übriggebliebenen Backwaren belieferte er die Sulzbacher Tafel und Ingos kleine Kältehilfe, eine Organisation, die sich um Obdachlose in Saarbrücken kümmert, was ihm bei den entsprechenden Organisationen hoch angerechnet wurde.

Das große Hobby des Andreas S. war die Jagd. Weil er offensichtlich geschäftliche Möglichkeiten in diesem Bereich sah, übernahm er in Neunkirchen eine Metzgerei, in der er Wildfleisch verarbeitete, das er aus saarländischen Jagdgründen bezog. Parallel dazu wollte er eine Snack-Produktion im Schiffweiler Industriegebiet Klinkenthal aufbauen, doch offensichtlich hatte er damit seine finanziellen Möglichkeiten überreizt.

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Abgebrannt: Vier Verkaufsfahrzeuge wurden im März 2019 komplett zerstört.

Zuerst gerieten die Bauaktivitäten in Stillstand. Dann brannten Ende März 2019 über Nacht vier von sechs Frühstücksmobilen aus. Da war bereits bekannt, dass schwerwiegende finanzielle Probleme existierten. Löhne waren über Monate hinaus nicht beglichen worden. Die Gewerkschaft NGG machte öffentlich Druck. Schließlich meldete Andreas S. am 31.3.20 Insolvenz an. Das Geschäft ging jedoch weiter, seine Frau Sarah stand von nun an in der Verantwortung. Aber auch diese Unternehmung scheiterte bald. Der Stammsitz und die Filiale in der Wiesenstraße werden seit knapp einem halben Jahr von einem ehemaligen Mitarbeiter geführt. Dieser berichtete uns heute morgen von der Betriebsübergabe. Die Verhandlungen habe Frau S. geführt, ihr Gatte sei lediglich anwesend gewesen. Seine Hoffnung ist natürlich, dass nichts von den schlechten Nachrichten, die sich nun rund um die Bäckerei auftürmen, an ihm hängen bleiben.

Während der Pressekonferenz sprachen verschiedene Teilnehmer immer wieder über die Unfassbarkeit der Tat. Ein Doppelmord, weil man beim Wildern erwischt worden ist? Das konnte sich niemand vorstellen. Verschiedene Theorien wurden angerissen. Was wirklich hinter der Tat steht, werden nur die beiden Beschuldigten sagen können.

Andreas S. wurde selten als angenehmer Zeitgenosse wahrgenommen. Er trat laut und forsch auf und stieß mit seiner mitunter aggressiven Art nicht Wenigen vor den Kopf, wie uns ehemalige Angestellte und Bekannte erzählten. Als er das Geschäft 2016 von seiner Mutter übernommen hatte, strahlte die Zukunft in hellsten Farben, doch alle Ambitionen des Andreas S. waren in den vergangenen drei Jahren Stück für Stück vor die Wand gefahren. Vielleicht war es diese lange Talfahrt, die zu der Katastrophe auf der trostlosen Landstraße zwischen Mayweilerhof und Ulmet geführt hat.

Sehen Sie hier auch unser Video mit den bisherigen Ergebnissen von Polizei und Staatsanwaltschaft:

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