Sulzbach, 17.5.23 – „Bürgerprotest“ nennen die „Spaziergänger Friedrichsthal/Saar“ ihre Veranstaltungen. Sie ziehen dabei trommelnd und trillerpfeifend durch die Straßen und demonstrieren gegen die Preisexplosionen im Alltag, Sanierungspflicht für Altbauten, unkontrollierte Zuwanderung, die GEZ oder „Kriegstreiberei“. Der Flyer, mit dem sie Werbung für ihren Aufmarsch machen wollten, liest sich wie Sammelsurium von Erschwernissen, die recht wahllos aneinander gereiht erscheinen. Ihre prägnanteste Forderung an die Mitbürger lautet – in fetten Lettern: WEHRT EUCH! DIE RUINIEREN UNS!
Das Mittel ihres Protests sind „Spaziergänge“. Diese kennt man in Sulzbach noch sehr gut. Im Jahr 2017, als die Diskussion um die Moschee ihren Höhepunkt erreichte, spazierten NPD-Leute und importierte Promi-Nazis durch die Gassen der Kleinstadt, um Rassenhass zu provozieren. Und auch die „Spaziergänger“ des Jahres 2023 präsentieren sich mit Deutschland-Fahne und wenn man sich die Facebookseiten ihrer Gefolgsleute anschaut, trifft man auf Gesinnungsgenossen, die schon 2017 hätten dabei sein können.
„Ich hätte auch gerne niedrigere Heizkosten!“ entgegnet Anne Lahoda, Kreisvorsitzende der Grünen, den Marschierenden. „Aber was ich vor allem will, ist, dass meine Kinder eine Zukunft haben. Deshalb müssen wir unseren Planeten in Schuss halten.“
Das Schema der Spaziergänger funktioniert wie anno 1923: Einer Bevölkerung wird mit suggeriert, dass es einfache Lösungen für die drängenden Probleme der Zeit gäbe. So nach dem Motto: „Wenn die Ukraine kapituliert, dann können die Flüchtlinge wieder nach Hause“. Natürlich können weder die Bundesregierung oder die Veranstalter der Spaziergänge den Krieg beenden. Die Konsequenzen einer solchen Politik erscheinen nebensächlich, die Forderungen schon beim ersten Hinsehen fadenscheinig.
Der Gruppe, die in den Monaten zuvor schon in Friedrichsthal und Altenwald marschiert war, wie sich etwa dem impressumsfreien youtube-Auftritt „didisinfokanal“ entnehmen lässt, fokussiert ihren Widerstand auf die gegenwärtige Bundesregierung und im Besonderen auf die Grünen. Die hatten sich unmittelbar nach Bekanntwerden des Spaziertermins in Sulzbach zu einer Gegendemo entschlossen. Und sie blieben nicht allein: Neben dem Landesvorsitzenden der Grünen, Volker Morbe, sprach auch die SPD-Landtagsabgeordnete Flora-Elisa Schröder zu den 40 bis 50 Gegendemonstranten, denen u.a. Vertreter der Sulzbacher LINKEn und der lokalen CDU angehörten. Der Tenor der Reden war eindeutig: Fallt nicht auf die rechten Schwurbler rein. Für Hass ist kein Platz. Es gibt keine „leichten“ Antworten auf die berechtigten Fragen und Sorgen. Man muss sich den Herausforderungen, die der Klimawandel und der Ukrainekrieg mit sich bringen, solidarisch stellen.
Johannes Klein, der Initiator der Gegenversammlung, äußerte sich nach der kurzen, gewaltfreien Konfrontation mit den Spaziergängern, zufrieden: Es sei ihnen in kürzester Zeit gelungen, eine Gegendemo zu organisieren. Das zeige, dass die Leute solch einen Aufmarsch nicht wollten: „Das Sulzbachtal ist bunt und vielfältig und die Leute sind damit nicht einverstanden“.
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