Grünen-Politiker legt 6-Punkte-Konzept für einen faireren Wettbewerb vor
Als Reaktion auf das Bäckerei- und Metzgereisterben auch im Saarland fordert der saarländische Grünen-Bundestagsabgeordnete Markus Tressel, das Lebensmittelhandwerk im Saarland besser zu schützen und zu unterstützen. An den örtlichen Handwerksbetrieben hänge viel: Frische und regionale Produkte, wohnortnahes Einkaufen und lebendige Stadt- und Ortskerne, aber auch qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort. Der Grünen-Politiker appelliert in einem 6-Punkte-Konzept an Bundes- und Landesregierung, insbesondere für einen fairen Wettbewerb zwischen kleinen Handwerksbetrieben und der Lebensmittelindustrie Sorge zu tragen. Dabei spiele auch die Entwicklungsplanung von Land und Kommunen eine Rolle.
„Der Wettbewerb in der Lebensmittelproduktion hat sich in den vergangenen Jahren so stark verschärft, dass die regionale Wertschöpfung unter der Marktmacht von Einzelhandel und Discountern leidet. Brotfabriken und Industrieschlachthöfe verdrängen das Handwerk vor Ort. Der saarländischen Bäckerinnung zufolge ist beispielsweise die Zahl der Bäckereien in den vergangenen 30 Jahren von 800 auf lediglich noch 200 im Saarland zurückgegangen. Wer morgens zu einem noch handwerklich arbeitenden Bäcker möchte, muss immer weitere Strecken zurücklegen“, sagt Markus Tressel, Bundestagsabgeordneter und Chef der Saar-Grünen.
Mit dem Sterben der Handwerksbetriebe gehe nicht nur ein Stück Lebensqualität durch frische Lebensmittel und das wohnortnahe Einkaufen verloren, sondern zugleich qualifizierte Arbeitsplätze mit Auswirkungen auf das ganze Saarland. Tressel: „Ohne Bäcker, Konditoren oder Metzger wird die Wertschöpfungskette an einem empfindlichen Punkt unterbrochen: Es fehlen die Partner, die zwischen kleineren landwirtschaftlichen Erzeugern und Verbraucherinnen und Verbrauchern Vertrauen schaffen. Am Ende könnten so der Discounter und die Industrie bestimmen, was auf den Tisch kommt.“
Der Grünen-Politiker appelliert an Bundes- und Landesregierung, das Lebensmittelhandwerk besser zu schützen und zu unterstützen. Es müsse wieder klarer werden, was der Unterschied zwischen einer echten Bäckerei und einer Aufbackstation für Tiefkühlteiglinge sei. Notwendig sei insbesondere ein Maßnahmenbündel für einen fairen Wettbewerb zwischen dem Lebensmittelhandwerk, den Discountern und der Lebensmittelindustrie:
1. Qualität fördern, Bürokratie abbauen
Überbordende Bürokratie ist besonders für kleine und mittlere Betriebe eine Herausforderung. Manchmal stellt sie durch den Mehraufwand ganze Geschäftsmodelle in Frage. Berichts- und Statistikpflichten sollten systematisch überprüft und entrümpelt werden, um das rechte Maß zwischen erforderlicher Transparenz und einschränkender Regulierung zu finden.
2. Ortskernfreundliche Bau-, Flächen und Genehmigungspolitik
Die immer stärkere Ausdehnung von Discountern und Vollsortimentern auf der „Grünen Wiese“ vor den Toren der Kommunen hat in den vergangenen Jahren zu einem Rückgang der Attraktivität von Ortskernen geführt. Das blieb nicht ohne Folge für das Einkaufsverhalten vieler Menschen und damit auch für das traditionell innerörtlich angesiedelte Lebensmittelhandwerk. Der Ausbau von Backtheken und Backshops mit Aufbackware bei den Discountern hat beispielsweise dem traditionellen Bäckerhandwerk massiv geschadet. Deshalb müssen Land und Kommunen umsteuern und künftig eine ortskernfreundliche Bau-, Flächen- und Genehmigungspolitik betreiben. Im Interesse des innerörtlichen Handwerks und des Handels muss schnellstmöglich ein Landesentwicklungsplan vorgelegt werden, der die Innenentwicklung fördert und z.B. Neuansiedlung von großflächigem Einzelhandel und Discountern limitiert.
3. Kosten der Energiewende fair verteilen
Alle Unternehmen, also auch Großbäckereien, die derzeit von der Umlage befreit sind, sollen die EEG-Umlage bezahlen und so ihren angemessenen Beitrag für den Umbau des Stromsystems leisten. Eine gerechtere Verteilung der EEG-Umlage würde insbesondere kleine und mittelständische Handwerksbetriebe entlasten und die Wettbewerbsbedingungen gegenüber der Lebensmittelindustrie angleichen helfen.
4. Arbeitsplätze attraktiver machen
Handwerksbetriebe finden immer seltener geeignete Fachkräfte, die Ausbildungszahlen sind zurückgegangen. Um Fachkräfte zu gewinnen, sollten wir bestehende Potenziale stärker aktivieren. Schülerpraktika sollten in allen Schulformen verbindlich werden, um so Betriebe und Schülerinnen und Schüler wieder näher zusammen zu bringen. Mit einer Ausbildungsgarantie können wir auch Jugendlichen, die heute nur schwer einen Einstieg ins Berufsleben finden, neue Wege eröffnen. Zudem müssten Arbeitsbedingungen und auch Entlohnung attraktiv für junge Berufseinsteiger sein.
5. Betriebsgründungen erleichtern, Nachfolge sichern
Statt Behördenwirrwarr brauchen wir eine einzige Anlaufstelle für Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg zum eigenen Betrieb (One-Stop-Shop). Handwerkerinnen und Handwerkern, die noch keinen Meisterbrief erworben haben, soll es leichter gemacht werden für eine bestimmte Zeit dennoch einen eigenen Betrieb zu führen. Wir sollten die Betriebe zugleich auch stärker dabei unterstützen, ihre Nachfolge zu sichern, z.B. mit attraktiven Förderprogrammen zur Übernahme, Modernisierung und Spezialisierung von Betrieben.
6. Regionale Vermarktung und Wirtschaftskreisläufe stärken
Damit Bäckereien, Konditoreien und Metzgereien regionale Produkte gut bewerben können, brauchen wir auf europäischer Ebene verbindliche Kriterien für die Bezeichnung „regional“. Zugleich benötigen Handwerksbetriebe eine bessere Beratung und eine gut verzahnte Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Öffentliche Einrichtungen, beispielsweise Gemeinschaftsküchen in Kitas und Schulen, sollen Vorbildfunktion übernehmen und besser auf regionale Belieferung zurückgreifen können. Deshalb sollten Regionalität und die Möglichkeit, kleine und mittelständische Produzenten aus dem Saarland zu bevorzugen, im Vergaberecht gestärkt werden.