„Die rheinland-pfälzische und auch die saarländische Landesregierung sieht sich durch die Ergebnisse des sicherheitstechnischen Gutachtens in seiner Einschätzung des AKW Cattenom bestätigt: Das Atomkraftwerk stellt ein hohes Risiko für die gesamte Region dar. Es entspricht nicht den heutigen europäischen Sicherheitsstandards für den Neubau von Atomkraftwerken. Dieses Niveau kann auch durch Nachrüstungen nicht mehr erreicht werden“, sagten die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken und der saarländische Umwelt-Staatssekretär Roland Krämer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz heute in Trier. „Trotz dieses Ergebnisses hat eine eingehende juristische Prüfung des Gutachtens ergeben, dass eine Klage gegen das Atomkraftwerk wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das französische Recht verpflichtet den Kläger zu einer umfassenden Beweisführung in Bezug auf konkrete sicherheitstechnische Risiken und Eintrittswahrscheinlichkeiten. Daher sehen wir von einer Klage ab. Wir werden uns allerdings mit Nachdruck dafür einsetzen, dass es keine Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks in Cattenom geben wird. Das erstellte Gutachten bildet für dieses Verfahren eine sehr gute und wichtige Grundlage“, so Höfken und Krämer.
Französisches Recht setzt hohe Hürden für Beweisführung
Das französische Recht sieht vor, dass die Kläger nachweisen müssen, welche schwerwiegenden Risiken für Mensch und Umwelt von dem Atomkraftwerk ausgehen. „Wie das Gutachten und die juristische Prüfung des Gutachtens ergeben haben, muss für diese Beweisführung die Kausalitätenkette zwischen einem auslösenden Ereignis wie beispielsweise einem Flugzeugabsturz und dem daraus folgenden Schaden für Mensch und Umwelt lückenlos und technisch detailliert aufgezeigt werden. Außerdem muss nicht nur nachgewiesen werden, was genau passieren könnte, sondern auch, mit welcher Wahrscheinlichkeit dies geschehen könnte“, sagte Umweltministerin Höfken. Diesen Nachweis selbst zu führen, würde unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen, mehrere Jahre dauern und einen Erfolg der Klage nicht garantieren. „Hinzu kommt: Die sicherheitstechnischen Risikomerkmale, die im Gutachten festgestellt wurden, weisen auch alle anderen, baugleichen Atomkraftwerke in Frankreich auf. Auch wenn dies alarmierend ist, reduziert diese Tatsache die Erfolgsaussichten vor Gericht maßgeblich. Ein markantes Auslegungsdefizit, das Cattenom aus dem französischen Kraftwerkspark negativ hervorheben würde, wurde im technischen Gutachten nicht aufgezeigt“, sagte Staatssekretär Krämer.
„Wir haben uns daher entschlossen, keine Klage gegen das AKW Cattenom zu erheben – aber die Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse sinnvoll einzusetzen“, so Höfken. „Wir werden die Ergebnisse des Gutachtens als weitere Argumentationsgrundlage für den politischen Dialog mit Frankreich verwenden.“ Staatssekretär Krämer betonte: „Auf der Grundlage dieses Gutachtens werden wir uns kritisch in das französische Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung für die Laufzeitverlängerung des AKW Cattenom – „Enquête Publique“ genannt – einbringen.“
Höfken/Krämer: „Der Kampf um Sicherheit geht weiter“
Diese Enquête Publique wird fünf Jahre vor dem Ablauf von 40 Betriebsjahren durchgeführt. Dies wäre beim Block 1 des AKW Cattenom im Jahr 2021. Der Betreiber muss hierbei vorstellen, welche technischen Maßnahmen er für die Laufzeitverlängerung vorsieht. „Wir wollen die Möglichkeit nutzen, uns in einem offiziellen französischen Verfahren zur Laufzeitverlängerung kritisch und mit Verweis auf die nachgewiesenen Schwachstellen einzubringen“, sagte Höfken.
Auch auf Bundesebene engagieren sich Rheinland-Pfalz und das Saarland: So wenden sich die Umweltministerien beider Länder mit einem Schreiben an Bundesumweltministerin Svenja Schulze, um sie für ein gemeinsames Vorgehen gegen eine Laufzeitverlängerung für das AKW Cattenom zu gewinnen. „Der Kampf um Sicherheit geht weiter. Das Gutachten hat uns in diesem Vorhaben bestärkt“, so Höfken und Krämer. Am 23. April wird das Umweltministerium Rheinland-Pfalz zudem das Treffen der „Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg“ in Mainz ausrichten. Der Allianz gehören Regionen aus Deutschland, Österreich und Belgien an.