Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Arbeitskammer des Saarlandes nehmen dieses Jahr den 12. Mai erneut zum Anlass, um auf die Missstände in der professionellen Pflege aufmerksam zu machen. Dazu wird eine Delegation aus Pflegekräften verschiedener Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen den saarländischen Landtag Corona-konform „besuchen“. Von 11.45 bis 12.30 Uhr wird es eine Protestkundgebung vor der Saarlandhalle geben, in der an diesem Tag die Landtagssitzung stattfinden wird. Die Aktion steht unter dem Motto „Baustelle Pflege“. Ihre Teilnahme bereits zugesagt haben die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) sowie der Sprecher des Gesundheitsausschusses Dr. Magnus Jung (SPD).
Während die Landesregierung im März beschlossen hat, eine saarländische Corona-Ampel einzuführen, verkannte sie bei ihrer Entscheidung, dass die Überlastung des Gesundheitswesens bereits seit Jahren besteht. In die „Baustelle Pflege“ wurde also eine Ampel gestellt, scheinbar verbunden mit der Hoffnung, dass sich die Dauerbaustelle auflöst, wenn man die Ampel einfach auf Grün oder Gelb schaltet. Dass das nicht so ist, erleben Pflegekräfte bundesweit nach wie vor tagtäglich bei ihrer Arbeit auf den Stationen, in den Wohnbereichen oder in der häuslichen Umgebung der Patient*innen.
Lisa Summkeller, ver.di-Gewerkschaftssekretärin, und Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes, sind sich einig: „Es müssen dringend die richtigen Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen in der Pandemie für das Gesundheitswesen gezogen werden. Die bisherigen Beschlüsse sind völlig unzureichend, von Entlastung ist im Betrieb nichts zu spüren – im Gegenteil.“
Zwar stehen Landes- und Bundesregierung dabei in unterschiedlichen Verantwortungen, jedoch werden die politisch Verantwortlichen diesen auf keiner Ebene gerecht: Es fehlt noch immer an Personalbemessungsinstrumenten, die den tatsächlichen Bedarf berücksichtigen. Es fehlt noch immer an ausreichend hohen Investitionszuschüssen, die den Investitionsstau auflösen. Es fehlt noch immer an guten Arbeitsbedingungen, wie sie unter anderem durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag oder eine gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung des repräsentativen Tarifvertrags der Branche erreicht werden könnten.
Die beruflich Pflegenden brauchen jetzt das Signal, dass sich die Bedingungen schnellstmöglich und dauerhaft verbessern. Doch der Bundesgesundheitsminister spielt weiter auf Zeit. So hat Jens Spahn (CDU) zuletzt zwar etliche Gesetzesinitiativen vorgelegt, an den entscheidenden Stellen blieben diese jedoch weit hinter dem Notwendigen zurück. Weder in der Kranken- noch in der Altenpflege werden bedarfsgerechte und bundesweit einheitliche Personalvorgaben schnell auf den Weg gebracht.
„Damit der von Spahn vorgelegte Entwurf zur tariflichen Bezahlung in der Altenpflege nicht nur gut klingt, sondern tatsächlich das Problem löst, muss erheblich nachgebessert werden“, so die Forderung von ver.di. „Der Minister vermittelt zwar den Eindruck, dass er eine tarifliche Bezahlung in der Altenpflege sichern will, allerdings ist das nicht der Fall. Denn nicht die Einhaltung relevanter Branchentarifverträge wie des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst wird zur Bedingung für den Abschluss von Versorgungsverträgen gemacht, sondern das Vorliegen von Tarifverträgen bzw. Haustarifverträgen, oder eine Bindung an kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR). Tariflich nicht gebundene Arbeitgeber sollen sich vielmehr den für sie günstigsten Haustarifvertrag in ihrer Region aussuchen können, nach dem sie ihre Beschäftigten bezahlen, dadurch werden Niedriglöhne zementiert statt überwunden. Nötig ist stattdessen die uneingeschränkte Anerkennung von in der Branche relevanten Flächentarifverträgen, wie etwa des TVöD“, so Lisa Summkeller.
Damit höhere Löhne nicht auf Kosten der Bewohnerinnen und Bewohner gehen, plädieren ver.di und die Arbeitskammer für die sofortige Deckelung der Eigenanteile und perspektivisch die Übernahme aller pflegebedingten Kosten durch die Pflegeversicherung.
Auch in Bezug auf die Überlastung des Pflegepersonals in Krankenhäusern ist keine Lösung in Sicht. „Mit der PPR 2.0 liegt seit Januar 2020 ein Instrument zur Personalbemessung in der Krankenhauspflege auf dem Tisch“, erläutert Lisa Summkeller. „Doch statt es nach 16 Monaten endlich in Kraft zu setzen, möchte Spahn die Beschäftigten weiter vertrösten, mindestens bis 2025. „Die PPR wird von vielen Krankenhäusern weiterhin zur internen Steuerung genutzt, daher sollte die Überführung auf die Version 2.0 kurzfristig mit geringem Aufwand verbunden sein“, ergänzt Beatrice Zeiger. Zeiger verweist auf eine aktuelle Befragung, wonach fast jede dritte Pflegekraft in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten ihre Stelle in den kommenden zwölf Monaten aufgeben will.
„Bundesregierung und Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, die Flucht aus den Pflegeberufen durch bessere Arbeitsbedingungen zu stoppen. Wir fordern auch die politisch Verantwortlichen im Land auf, sich an die Seite der Pflegenden zu stellen und alle ihre Möglichkeiten zu nutzen, Verbesserungen in der professionellen Pflege herbeizuführen“, so die Forderung der Gewerkschaft ver.di und der Arbeitskammer des Saarlandes.
Protestaktion zum „Tag der Pflegenden“
12. Mai 2021, 11.45 Uhr bis 12.30 Uhr
Parkplatz vor der Saarlandhalle