Wenn eine Nachfolge in einem Amt ansteht, wird gerne über die „Fußstapfen“ gesprochen, in die man zu treten habe. Diese Spuren des Wirkens werden ebenso gerne als „groß“ und „bedeutend“ eingeschätzt. Von potentiellen Nachfolgern nicht zuletzt, um damit die eigene Wertigkeit zu unterstreichen. In der öffentlichen Diskussion um die Nachfolge der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sind mir solche Bilder bislang nicht begegnet. Schauen wir also genauer hin:
AKKs Fußstapfen könnte man allenfalls als „eigenartig“ oder „besonders“ bezeichnen. Wir wissen im Saarland z.B. um die Besonderheit, dass AKK immer schon weg war, wenn ein Bauwerk Probleme machte, eine Fischzucht zum Himmel stank, im Landesportverband üble Fouls ruchbar wurden oder z.B. die Fachaufsicht über die Uniklinik schlicht versagte. Insofern wären die Fußstapfen von AKK aus unserer regionalen Wahrnehmung eher als „flüchtig“ zu bezeichnen.
Im Reich dagegen sind die Maßstäbe andere. Hier waren weitere Qualitäten gefordert, die AKK durchaus zu bieten hat(te): Im richtigen Moment eine mutige Entscheidung treffen, sich als Kandidatin auch mit knappen Ergebnissen an die Spitze taktieren, nicht in die Regierung wollen und dann doch Ministerin werden und – ganz wichtig – zum gegebenen Zeitpunkt immer nur das unbedingt Notwendige in möglichst allgemeinen Floskeln sagen. Nur einmal, hinsichtlich der Geschlechtervielfalt und Toilettenfrage hat die Putzfrau im Karneval eine Ausnahme gemacht, ihre tatsächliche Sicht der Dinge benannt und schon ging bekanntlich die Sache in die Hose.
Jetzt machen sich die Kandidaten für die Einwechslung als CDU-Spielführer warm, darunter der dauerhaft jugendliche Hoffnungsträger Friedrich Merz. Vom Rand des politischen Spielfelds kommentierte er die Arbeit der Bundesregierung: „Das gesamte Erscheinungsbild der deutschen Bundesregierung ist einfach grottenschlecht. (…) Wir sind in einer ganz schwierigen Situation. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich seit Jahren über dieses Land wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Bundeskanzlerin legt.“ (18. Oktober 2019) Und schon nach vier Wochen ruderte Merz am 22. November 2019 zurück: „Die Sozialdemokraten sind strukturell illoyal. Wir sind loyal zu unserer Parteivorsitzenden (…) Das war nie eine Fundamentalkritik an der Regierung.“
Am 12. Januar 2020 schließlich verstieg sich der Kandidat, der noch keiner ist, zu einer allgemeinen Medienschelte, in der er bezüglich journalistischer Berichterstattung meinte: „Die brauchen wir nicht mehr.“ Um hinzuzufügen, durch die Nutzung Sozialer Medien und eigener Kanäle könnte man viel besser die „eigenen Interessen wahrnehmen“ und die „Deutungshoheit behalten“. Klasse Merz! Das haben in abgewandelter Form auch schon die AfD („Systemmedien“) und Trump („Fake-News“) gemeint und praktiziert. Auch Boris Johnson ist gerade dabei die BBC zu bekämpfen, um seine eigene Deutung der eigenen Regierungsarbeit zur allgemeinen Wahrheit zu erklären.
Dann am 17. Februar 2020 ließ Merz den Deutschen Journalistenverband (DJV) auf dessen Protest hin wissen, dass er mit seiner Äußerung „an keiner Stelle die Bedeutung einer freien Presse in Frage“ stellen wollte. Sein Satz sei missverstanden worden und er betone in fast jeder seiner Reden die Notwendigkeit der Pressefreiheit. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall dankte Merz trocken für dieses „klare Plädoyer für das Grundrecht der Pressefreiheit, das ich aufgrund Ihrer berichteten Äußerungen so nicht erwartet hatte“.
Wer so ungefragt Fundamentalkritik übt und dann wieder relativiert, mit Grundwerten der Gesellschaft herumhantiert und in intellektueller Schlichtheit durch die öffentliche Debatte stolpert, wird weder große noch auch nur flüchtige Fußstapfen hinterlassen. Er wird überwiegend damit beschäftigt sein, seine Spuren zu verwischen. In diesem Sinne: Vergesst Merz!