Im Februar wurde Astrid te Koppele zur Vorsitzenden des Quierschieder Seniorenbeirats gewählt. Dies ist nur eine ehrenamtliche Tätigkeit, welche die quirlige Hollanderin in den letzten Jahren übernommen hat. Grund genug also, ihr einmal einen Besuch abzustatten.
In der Quierschieder Steigerstraße stehen eine ganze Reihe hübscher Bauten, also gut gepflegt und sauber verputzt. Doch eines sticht heraus: der rot verklinkerte Bau, in dem Astrid te Koppele und ihr Ehemann leben. Ist das Zufall? „Nein!“ schüttelte die Gastgeberin mit dem Kopf. „Als das Haus gemacht wurde, habe ich meinem Mann gesagt verklinkere es doch gleich, dann hast Du für immer Ruhe.“ Genau. Außerdem stammt sie aus dem Land, in dem so gut wie alle Bauten verklinkert sind – Das passt also.
Aus der holländischen Heimat, die sie vor mehr als zwanzig für eben diesen Mann verließ, hat Astrid te Koppele jenen wunderbaren Akzent mitgebracht, den sie nun mit dem Quierschieder Platt mischt. Sie hatten sich über Taucherfreunde kennengelernt und irgendwann beschlossen, die Zukunft gemeinsam zu verbringen. Beide bewarben sich im jeweils anderen Land – und Astrid te Koppele hatte als Erste eine Zusage bekommen. Also zog sie aus Enschede nach Quierschied.
Für ihre Mutter war das nicht leicht. Nicht nur weil die Tochter wegging, sondern auch, weil sie mit einem Deutschen zusammen war. Der zweite Weltkrieg hat in dieser Generation seine Spuren hinterlassen, ganz besonders in der Familie te Koppele, denn Astrids Vater war 1936 aus politischen Gründen verhaftet worden. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen und vom Naziregime ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert worden. Trotzdem hat er seine Tochter zeitlebens immer zu Offenheit und Toleranz angehalten: „Du kannst nicht alle Deutschen hassen, nur weil einer etwas Böses getan hat.“
Diese Offenheit hat sich Astrid te Koppele zweifelsohne bewahrt. Als die deutsche Regierung die Pforten für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien öffnete, stellte eine Freundin fest, dass besonders die Kinder der Neuankömmlinge litten. „Viele haben traumatische Dinge erlebt. Und ihre Eltern müssen ebenfalls mit den Erlebnissen fertig werden.“ Also sprachen sie mit Karin Lawall, die damals Bürgermeisterin war, und starteten zusammen mit dem DRK eine Kreativgruppe mit 4 Kindern aus zwei Familien. Dort wurde gebastelt und gesungen – auf deutsch, arabisch, englisch oder auch indisch. „Zu Beginn waren die Kinder sehr verschlossen und zurückhaltend.“ Das hat sich geändert. Mittlerweile sind es 12 – 15 Sprösslinge, die das Angebot wahrnehmen.
Durch die Betreuung der Kinder bekam Astrid te Koppele Kontakt zu den Eltern der Kinder und so entstand die Idee, einen Kochclub mit den Frauen zu gründen, in dem man sich monatlich trifft. „Dort wird nur deutsch gesprochen.“ Das war die Auflage, die gemacht wurden. Und so ist selbst für die Organisation im Vorfeld dieser Abende, die meist über WhatsApp läuft, die Sprache der Teutonen Pflicht. Die Abende selbst dienen nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern der Kommunikation unter einander. „Die Syrer kennen unser System nicht.“ Entsprechend verstehen sie beispielsweise nicht, warum auf einem Lohnzettel von dem ursprünglich verdienten Geld nur noch eine gewisser Prozentsatz übrig bleibt und der Rest für Krankenversicherung und Rente zurückgelegt wird. Oder, dass Wasser Geld kostet und man es nicht einfach laufen lassen kann.
So hat sich eine Gemeinschaft gefunden, die sich nicht nur einmal im Monat trifft, sondern beispielsweise auch auf Veranstaltungen wie dem Gourmetmarkt teilnimmt. „Wir müssen hier im Dorf mit den Menschen leben. Das bedeutet auch, dass wir auch die Signale reagieren und eingreifen, wenn es nötig ist. Unsere Gesellschaft ist gefordert, die Leute mitzunehmen.“
Und nun ist Astrid te Koppele auch noch Seniorenbeirat geworden. Das neue Amt wird sie – wie von ihr gewohnt – mit vollem Elan angehen. Sie sprudelt schon vor Ideen! In der Vergangenheit hat sie bereits jährlich einen Fachbeitrag organisiert. „Das werde ich auch weiterhin tun!“ sagt sie. Die Ausflüge, die künftig angeboten werden, wie etwa die Fahrt zum Forsthaus Neuhaus, welche für den 24. Mai geplant ist, finden unter dem Motto „Lernen, Lachen, Laufen“ statt. Es wird also von allem etwas dabei sein. Und für 2020, dem 75. Jahr nach Beenigung des Krieges möchte sie etwas Besonderes organisieren. „Da möchte ich das ganze Dorf mit einbinden.“ sagt Astrid te Koppele, auch die Flüchtlinge. Denn ob ich damals aus Schlesien geflüchtet bin oder vor drei Jahren aus Syrien – die Menschen haben oft sehr ähnliche Erlebnisse hinter sich. Das hat sie aus vielen Jahren der Betreuung von dementen Menschen erfahren. Denn diese Menschen erzählen „ohne Hemmungen“, was ihnen wiederfahren ist.
Abgesehen von den ehrenamtlichen Tätigkeiten, die ihr selbstverständlich sind – „bei uns in Holland engagiert sich jeder irgendwie. Und sei es dadurch, dass er mit der Blechbüchse für die Heilsarmee Geld sammelt – Frau te Koppele besitzt auch noch ein Privatleben. Das hat viel mit Tauchen und Motorsport zu tun. „Verstappen ist mein Idol“ verrät sie uns und erzählt von einer Begebenheit in Spa-Francorchamps, als sie durch die Boxen flanierte und auf den jungen Michael Schumacher traf, der ihr prompt ein Autogramm gab.
Und immermal wieder fährt sie nach Holland, wo sie sich immer noch zuhause fühlt, bei ihrem Bruder oder den Freunden. Doch nach drei vier Tagen möchte sie dann wieder zurück, nach Hause, nach Quierschied. „Hier wohne ich, lebe ich und werde ich wahrscheinlich auch sterben. In Holland bin ich geboren. Dort leben meine Familie und noch viele Freunde. Ich habe zwei Zuhause.“
Übrigens:
Am 14 April wird Astrid te Koppele mit ihrer Kindergruppe eine Theatervorstellung in der Q.lisse geben. Das Stück wurde von Mwoloud Daoud verfasst und behandelt das Thema „Umwelt“. Der Eintritt ist frei – es wird eine Hutsammlung geben.