Stefan Mörsdorf hielt die Festrede zur Wendelinuswoche in der St. Wendeler Basilika
Als Pfarrer Klaus Leist beim ehemaligen Umweltminister Stefan Mörsdorf anfragte, ob er in diesem Jahr die Festrede zur St. Wendelinus Woche halten würde, wusste er wahrscheinlich nicht, dass er keinen besseren Referenten für dieses Thema hätte finden können. Denn auf seinen Pilgerwanderungen durch Frankreich traf Mörsdorf sehr häufig auf Heilige, denen er, zuhause angekommen, bis zur historischen Figur nachspürte.
Am Anfang der Festrede stand die Frage „Was ist eigentlich ein Heiliger und wie wird man einer?“. Definiert ist dies nicht wirklich, deshalb griff Stefan Mörsdort auf die hebräische Bezeichnung „kadosch“ zurück, was neben heilig auch „besonders“ bedeutet. Und genau das war dem Wanderer Mörsdorf auf seinen Wegen durch die französischen Landschaften aufgefallen: „Langweilig ist keiner von denen!“. Alles seien herausragende Menschen gewesen, die eine besondere Ausstrahlung auf ihre Mitmenschen gehabt hätten.
Die Heiligsprechung ist heutzutage ein mehrstufiges Verwaltungsverfahren, das es zu früheren Zeiten nicht gab. Diese Heilige, zu denen auch Wendelin gehört, nennt man deshalb Volksheilige. Ihren Status haben sie dadurch erreicht, dass die Menschen immer wieder zusammenkamen, um ihrer zu gedenken. Über Jahrhunderte. Mit der Zeit ergaben sich viele Geschichten und Legenden, die diesen Menschen zugeschrieben wurden. Sie wurden so zu einer „Projektionsfläche“ für die Menschen, die ihre Wünsche und Hoffnungen mit diesen Heiligen verbanden.
Wendelin war einer von ihnen. Er lebte im 6./7. Jahrhundert, einer „dunklen“ Zeit, aus der fast keine schriftlichen Zeugnisse existieren. Ein Trierer Abt jedoch erwähnte, dass ein Wendelinus, ebenso wie ein Ingobertus in der Zeit Mandarichs gelebt habe. Insofern ist die Existenz des heiligen Wendelin dokumentiert.
Für seine Vorbereitungen auf die Festrede konnte Stefan Mörsdorf auf ein Werk des Steyler Missionars Alois Selzer zurückgreifen. Dieser ging davon aus, dass Wendelin nicht wie es in der Legende heißt, ein schottischer Prinz oder irischer Herkunft, sondern ein Franke gewesen sei. „Egal, er hatte auf jeden Fall einen Migrationshintergrund“ kommentierte Mörsdorf diese Erkenntnis. Wendelin, wahrscheinlich aus „gutem“ Haus, dürfte sich der „irischen Bewegung“ angeschlossen haben, die eine Abkehr von der „durchritualisierten“ Kirche suchte. Lebensbejahend und selbstbestimmt kamen sie in die Region, die fast zu 90 Prozent von Kelten besiedelt war.
„Wir leben, wie Wendelin, in einer Zeit des Übergangs, in der er uns allerdings besser geht als den Menschen damals“. Große Veränderungen stünden bevor, einerseits durch die Klimaveränderung, deren Auswirkungen sich beispielsweise im Ahrtal in gravierender Weise gezeigt habe. Andererseits führten die Folgen der Zunahme der Bevölkerung zu massiven Problemen. Als Stefan Mörsdorf vor 60 Jahren zur Welt kam, lebten drei Milliarden Menschen auf der Welt, heute sind es 7.8 Milliarden. Während in Afrika die Bevölkerung wachse, würden in Deutschland immer weniger Kinder eingeschult. Mörsdorf prognostiziert enorme Migrationswellen, die nicht vergleichbar seien, zu dem, was wir 2015 erlebt hätten.
Was also hätte Wendelin gesagt? „Vertraut auf Gott!“ ist die Antwort, die Mörsdorf gab. Die Missionare im 6. Jahrhundert wären in eine unwirtliche, anarchische Gegend gezogen mit nichts als ihrem Gottvertrauen. Und: „Seid katholisch!“, in des Wortes ursprünglichem Sinne, nämlich allumfassend, integrativ. Wendelin und seinesgleichen seien offen gewesen für die Gewohnheiten und Bräuche der Landbevölkerung. Kooperation anstatt Konfrontation wäre ein wesentlicher Grundsatz gewesen. Gerade die katholische Kirche könne von diesem Beispiel lernen.
Besonders beschäftigt habe ihn die Frage, warum Wendelin es geschafft habe, 500 Jahre verehrt zu werden, ohne dass es schriftliche Zeugnisse gegeben habe. Es müsse daran liegen, dass er ein ganz besonderer Mensch gewesen sei, ein Mensch mit einer enormen Ausstrahlung.
„Wendelin war eine coole Socke!“ lautete das Resümee von Stefan Mörsdorf, der zum Ende seines Vortrages die Bitte äußerte, in 10 Jahren wieder die Festrede zur Wendelinuswoche halten zu dürfen. Darauf werden sich viele der Anwesenden sicherlich jetzt schon freuen.